Bergschäden sind im Ruhrgebiet eine Folge des Kohleabbaus. Generell treten sie auf, wenn Rohstoffe im Untertagebau gewonnen
werden. Sichtbar ist normalerweise wenig davon. Erst im Zusammenspiel mit Bebauung oder Entwässerung sind die Schäden erkennbar bzw.
garnicht zu übersehen. Gebäude bekommen Risse, geraten in Schieflage oder sinken gleichmäßig zur Umgebung ab (auch Folge bei starker
Grundwasserentnahme wie im Hessischen Ried). Bei Fließgewässern wird die Vorflut (Abfluss zum nächstgrößeren Bach) gestört. Das Wasser
kann nicht mehr abfließen und muss aus den Bereichen, unter denen Kohle abgebaut wurde hoch gepumpt werden. Wo dies nicht geschieht haben
sich Senkungsseen gebildet.
Teilweise sind neue Biotope entstanden (oft unter Naturschutz). Der kritische Bereich sind die Poldergebiete, die stark überbaut sind.
Diese erzeugen einen Teil der sog. Ewigkeitskosten, da ständig Wasser abgepumpt werden muss. Andererseits haben gezielt erzeugte Bergsenkungen
die Ruhrorter Häfen in den 1960er Jahren abgesenkt, was eine sehr aufwändige und kostenintensive Vertiefung der Hafenbecken ersparte
Westende.
Spektakulär sind Tagesbrüche, die von kleinen Einbruchstrichtern (Pingen) bis zu Schachteinstürzen reichen, die Dutzende Meter tiefe
Krater gerissen haben. Diese treten auch in Erzabbaugebieten auf, seltener beim Salzabbau. Bei Auswaschungen wasserlöslicher Schichten
kommen auch natürliche Tagesbrüche vor, die als Erdfall bezeichnet werden. Dazu folgen hier einige Beispiele und eine Übersicht für
das gesamte Ruhrgebiet. Ein Beispiel aus Hamm zeigt eine Bruchkante, die durch eine tiefer liegende Torfschicht entstand. In den extremen
Sommern 1947/48 trocknete diese aus und das Gelände sackte ab. Im Winter ließ zufließendes Grundwasser die Torfschicht aufquellen und
das Gelände wurde teilweise über das alte Niveau angehoben.
Zur Zeit des Stollenbergbaus war es üblich kleine Schächte zu erstellen, die für die Bewetterung und teilweise
die Kohleförderung genutzt wurden. Sie bestanden meist nur wenige Jahre und wurden danach teilweise verfüllt, oft mit einem Gewölbe
verschlossen. Darüber wurde verfüllt, nach unten blieb der Schacht bestehen. Wenn er im Festgestein stand, traten selten Probleme
auf. Beim Erforschen des Schlebuscher Erbstollen sind solche Schächte gefunden worden, die auch heute noch standsicher sind. Dort
wo nur eine einfache Absicherung mit Holz erfolgte brachen die Schächte später ein. Bei den geringen Teufen sind besonders südlich
der Ruhr in den Wäldern immer wieder Pingen zu finden. Bei tieferen Schächten gab es schon zur Betriebszeit oft komplette
Einstürze oder kleinere beschädigte Abschnitte, die repariert werden mussten. Selbst das Ausmauern bot keine vollständige Sicherheit,
da duch den Kohleabbau starke Kräfte wirkten. Ein kegelförmiger Schachtsicherheitspfeiler sollte vorbeugen. Aus wirtschaflichen
Gründen fand hier aber oft ein zeitlich verzögerter Abbau statt.
Nach der Stilllegung wurden die Schächte bis weit nach dem 2. Weltkrieg nur unzureichend verfüllt, wodurch einige spektakuläre
Tagesbrüche entstanden. Viele der kleineren davon beruhen auf dem Nachlesebergbau nach dem 2. Weltkrieg. Dieser lief teilweise
"wild", ohne Anmeldung bei der Knappschaft. Damit fehlte die Kontrolle des vorbeschriebenen Versatzes in den fast immer steil
gelagerten Flözen und bei der ordentlichen Verfüllung der Schächte. Einige Tagesbrüche sind eine Folge von Baugenehmigungen, die
vorhandene Schächte einfach ignorierten. Die "normalen" sind in der folgenden Tabelle beispielhaft zusammengestellt. Während der
Sanierung waren Straßen teilweise oder komplett gesperrt und Anwohner durften ihre Häuser nicht betreten.
In der folgenden Karte sind einige der weiter unten aufgelisteten oder beschriebenen Schäden markiert. Typisch ist die Lage im südlichen
Ruhrgebiet, wo kein Deckgebirge vorliegt. Die Schachteinbrüche liegen zum Teil auch im Bereich der überlagernden Kreide, aber
auch nur am Südrand. Die zweite Karte zeigt Beispiele aus dem nördlichen Ruhrgebiet für Bergsenkungsseen oder Vernässungbereiche.
Viele davon sind inzwischen als Naturschutzgebiete ausgewiesen. Beim Positionieren der Maus auf einen Punkt oder einer Fläche mit
gestrichelter Umgrenzung erscheint ein Infotext.
Datum | Ort | Verursacher | Breite | Tiefe (m) | Folge |
Pfingsten 1981 | Bochum Holzstraße |
Zeche Engelsburg | ca. 386 | vierte Verfüllung nach 1967, 1973 und 1976 | |
November 1981 | Niedersprockhövel Hombergstraße |
Zeche Molly (auch Molli) | 4 | Nachverfüllung | |
3.6.1982 | Mülheim Heimaterde |
Zeche Hammelbeck | 1,5 | 2 | |
November 1984 | Bochum (Alter Zoll 33/35) |
Zeche Zollstraße | 3 | 3,5 - 4 | Verfüllung |
Ende Dez. 2005 | Witten (Kastanienallee) |
Zeche Louisenglück | Verfüllung bis Februar 2006 | ||
18.12.2007 | Witten (Mühlenstraße) |
Zeche Ringeltaube | 13 | Neuverfüllung von Schacht Meyer | |
9/2007 - 3/2009 | Sprockhövel | Neu-Sprockhövel | Schachtsicherung | ||
4/2008 - 11/2009 | Essen | Zeche Kunstwerk | Absenkung Schacht Friedrich | Schachtsicherung | |
Februar 2008 | Unna-Billmerich (Zeche Gut Glück) |
Alter Hellweg | Schachtsäule ca. 27 m abgesackt | Neuverfüllung | |
Dezember 2008 | Essen-Dilldorf (Stollen Trompette) |
Adler | Tagesbruch unter Gartenhaus | rd. 850 m³ Beton eingebracht unter Garten, Kindergarten und Kirche | |
2008 - 2009 | Oberhausen | Concordia 1 | Schachtsicherung | ||
7.3.2009 | Hattingen (Ruhrblick 26/28) |
Verfüllung bis 22.4.2009 | |||
23.10.2009 | Witten (Oberkrone 76) |
2,5 | 6 | Reiterhof bekommt Probleme | |
März 2010 | Dortmund (Brandistraße) |
Uraltbergbau | rd. 0,5 km Straßensanierung | ||
November 2010 | Herbede (Rauendahlstraße 144) |
Kleinzeche Lina I | 3 | 8 | |
8.1.2011 | Essen-Frillendorf (Autowerkstatt) |
9 | 8 | drei Autos abgestürzt | |
Juni 2011 | Witten (Erlenbruch 15/17) | Verfüllung Hohlräume | |||
Oktober 2011 | Mülheim (U-Bahnhaltestelle Mühlenfeld) |
Zeche Kinderberg | Verfüllung bis März 2012 | ||
8.11.2011 | Witten (Waldegge 30 - 34) |
Kleinzeche Halbmond | 2 x 2 | 30 | Sicherung zwei Schächte (t) |
17.2.2012 | Dortmund A45 | Zeche Gottessegen
Luftschacht im Flöz Dreckbank (45 m) |
Verfüllung drei Wochen | ||
20.6.2012 | Dortmund (Hagener Straße) |
3 | 15 | Verfüllung bis 19.6. 2012 | |
2013 - 2015 | Dortmund | Schürbank und Charlottenburg | Sicherung Stollen und drei Tagesöffnungen | ||
5.3.2013 | Mülheim (An der Seilfahrt) |
Zeche Wiesche (Blindschacht) | 1,5 | ||
20.3.2013 | A43 zwischen Herbede und Sprockhövel | Zeche Glückauf 1 | Verfüllung mit Teilsperrung der Autobahn | ||
10.7.2014 | Witten (Speckbahn 15) |
Zeche Gideon und Vorgänger | 5 | 5 | |
2014 | Bochum Dahlhausen |
Dahlhauser Tiefbau 1 und 2 | Schachtkopfsicherung | ||
20.3.2015 | Essen Stadtwald |
Zeche Nikolaus | Hohlraumverfüllung | ||
12/2018 - 11/2020 | Bochum Weitmar |
Carl Friedrich | Verfüllung von 16 Tagesöffnungen | ||
Nov. 2020 | A44 zwischen Witten und A45 | Dünnebank, Dickebank, Angelika | Verfüllung mit Teilsperrung der Autobahn |
Eines der spektakulärsten Ereignisse war im April 2014 die Sanierung des Schurfschachts Joachim der Zeche auf der A40 in Essen Königin Elisabeth. Die entstandenen Kosten liegen wohl deutlich im zweistelligen Millionenbereich. Dazu kamen durch die Sperrung der Autobahn kilometerlange Staus und Umleitungen.
Am 29.11.2016 ereignete sich ein zuerst unauffälliger Tagesbruch in Essen-Heisingen. In der Straße Koldenbuschweg sackte ein Teil eines
Vorgartens ab. Zuerst sah es nach einem "kleinen" Schaden aus. Eine Fläche von ca. acht qm war bis zu zwei Meter abgesackt. Darauf
wurden Erkundungsbohrungen niedergebracht und sofort die Häuser 13 bis 23 gesperrt. Im Untergrund waren große Hohlräume gefunden
worden. Die Verfüllung mit Spezialbeton sollte bis Ende Januar 2017 abgeschlossen werden. Einige Anwohner durften erst im Februar
in ihre Häuser zurück. Die Hohlräume waren aber deutlich größer als angenommen. Erst im Dezember 2017 waren die Arbeiten soweit
abgeschlossen, dass die Anwohner wieder dauerhaft in ihre Häuser zurückkehren konnten. In der direkten Nachbarschaft wurden nach
weiteren Sondierungsbohrungen mit Betoninjektionen begonnen, die Ende 2017 noch nicht abgeschlossen waren. 2006 hatte es in
der Nachbarschaft (Stornefranzstraße) Senkungen gegeben, die 16 Anwohner trafen. Hier war es nach kurzer Zeit wieder ruhig.
Die jetzt verfüllten Hohlräume stammen wahrscheinlich von der Zeche Wasserschneppe, die bis 1876 unter dem damals fast siedlungfreien
Gelände Kohle abbaute. Sie betrieb westlich den Schacht Jakob und östlich den Schacht Franz. Sie erschlossen beide das überwiegend
abgebaute Flöz - damals Franz genannt, heute Röttgersbank. Beim damals üblichen Abbau wurden Kohlepfeiler stehen gelassen, einen
Versatz mit Bergematerial gab es sicher nur stellenweise. Wahrscheinlich wurde auch das Flöz Dickebank abgebaut, das ziemlich genau
mittig zwischen den beiden Straßen ausbiss. Nach der Stilllegung übernahm die Zeche Heisinger Mulde das Grubenfeld. Deren
Abbau bis 1885 ging nur im Umfeld von Schacht Franz und nördlich davon um.
Nicht weit entfernt kam es am 18.10.2017 zu einem der wahrscheinlich kostspieligsten Tagesbrüche an der S-Bahnhaltestelle unterhalb der Villa
Hügel. Es wurden erst in einer Böschung Hohlräume gefunden und nach ersten Sondierungen mehrere Absenkungen im Bereich der Gleise. Bei
weiteren Bohrungen wurde klar, dass es weitere Hohlräume gibt. Die Bahn sperrte die Strecke und rechnet mit Verfüllarbeiten bis April 2018.
Damit die Arbeiten ohne Unterbrechungen durchgeführt werden können sind die Gleise und die Oberleitung abgebaut worden. Auf einer Länge
von 350 m östlich der Haltestelle wurden in etwa 30 m Tiefe mindestens sieben, mehrere Tausend Kubikmeter große Hohlräume angetroffen.
Es handelt sich um Stollen oder Abbaustrecken, die noch stellenweise erhalten sind samt Stützhölzern.
Der Stollen und die von ihm aus abgebauten Flöze gehörten i.W. zur Zeche Kämpgesbank. Diese baute zwischen 1833 und 1872 Kohle ab. Die
Förderung betrug jährlich ein paar Tausend Tonnen (maximal etwa 8100), meistens deutlich weniger. Wie damals üblich wurde kein Versatz
eingebracht sondern Kohlepfeiler als Sicherung stehen gelassen. Damit erklären sich die Hohlräume unter der Bahntrasse. Die anstehenden
Flöze gehören zur Girondellegruppe, von denen eines (Girondelle 5 Unterbank) als Eisensteinflöz ausgebildet ist. Für 1858 ist ein
Abbau durch die Nachbarzeche Klosterbusch bekannt. Sie förderte nur Eisenerz. Das Flöz war hier etwa 0,7 m mächtig.
Von den anderen Flözen der Gruppe wurde wegen der geringen Mächtigkeit - wenn überhaupt - wohl nur eines abgebaut.
Auch nach über 150 Jahren treten noch Bergschäden auf. Am 16. und 17. November 2023 fielen zwei Tagesbrüche in Bochum-Linden. Der zweite (2 x 5 m) mitten auf der Hattinger Straße geht auf einen defekten Kanalschacht zurück, der kleinere (2 x 2 m) im Bereich des Parkstreifens ist wohl bergbaubedingt. Dort wurde oberflächennah von der Zeche Dahlhauser Tiefbau das etwa 2,20 m mächtige Flöz Sonnenschein abgebaut. Es spaltet sich hier in eine etwa zwei Meter mächtige Oberbank und eine schmale nicht abgebaute Unterbank auf. Aufgrund der ersten Erkundungsbohrergebnisse wurden im Flöz Sonnenschein Oberbank weitere Bohrungen gesetzt. Bei 12 -13 Tiefe wurden Lockermassen angetroffen. Der nicht abgebaute Sicherheitspfeiler ist normalerweise etwa 20 - 30 m stark. Hier könnten durch den Abbau Sackungen entstanden sein (selbst bei Vollversatz nicht ausgeschlossen). Endgültig konnte kein eindeutiges Ergebnis gefunden werden. Die Hattinger Straße war vom 17. November 2013 bis zum 2. März 2024 gesperrt. Besonders der ÖPNV war durch die Unterbrechung der wichtigen Straßenbahnstrecke nach Hattingen stark beeinträchtigt.
Ein weiterer spektakulärer Vorfall ereignete sich 2024 in Essen-Freisenbruch. Es gab zwar keinen Tagesbruch, aber ein
Stabilitätsproblem an einem großen Wohnhaus (Spervogelweg 26-28). Dort war im Juni 2024 im Rahmen von Unteruchungen ein
Luftschacht (ca. 43 m tief) des Erbstollen der späteren Zeche Eintracht Tiefbau lokalisiert worden. Er liegt direkt
unter der der Fassade des Hauses
neben einem Stützpfeiler. Da er nie richtig verfüllt wurde war die Statik des Gebäudes nicht mehr sicher. Als der Schacht
1831 abgeteuft wurde war die Umgebung nicht bebaut. Die Fläche war wahrscheinlich Ackerland. Der Schacht brach später ein.
Er war beim Bau des Wohnhauses nicht mehr erkennbar, aber nicht nach den heutigen Maßstäben verfüllt.
Die Mieter des Hauses mussten sofort ihre Wohnungen verlassen und konnten später nur wichtige Dokumente und einige wenige
Gegenstände mitnehmen. Zum Teil wurden sie in Hotels untergebracht. Am 22. Januar 2025 gab es eine so erstmals ausgeführte
Maßnahme zur Sanierung. Es wurden vier 20 m lange Stahlträger in den Keller eingezogen. Sie stabilisieren das Gebäude
mit Hydraulikpressen für die folgende dauerhafte Sicherung des Schachtsbereichs durch Betoninjektionen. Da alles nach Plan
verlief konnten die Mieter seit dem 24. Februar nach fast acht Monaten in ihre Wohnungen zurück. Dazu gehört auch die
Wiederherstellung der Heizung/Warmwasserversorgung und die Prüfung auf einen möglichen Schimmelbefall.