Zeche Westfalen in Ahlen
1909 - 2000
Wie der Zechenname andeutet lag die Zeche weit entfernt vom Kernbereich des Ruhrgebiets. Sie war die östlichste
und lag am Rand der Lagerstätte. Gleichzeitig war sie auch eine der nördlichsten Zechenanlagen. Bergbau im Raum Ahlen hatte es schon
früher gegeben. In der zweiten Hälfte 19. Jahrhunderts wurden dort Strontianitvorkommen abgebaut. Informationen dazu gibt es
unter Strontianitbergbau.
Mit der Zeche entwickelte sich die Ackerbürgergemeinde Ahlen zur Stadt. Dabei blieben die Zechenkolonien südlich der Bahnlinie immmer
getrennt vom bürgerlichen Teil der Stadt, deren Kern nördlich der Bahn liegt. Auch das Industriegebiet der Stadt entstand südlich
der Bahntrasse. Bei der Inbetriebnahme war die Zeche Westfalen die tiefste im Ruhrgebiet. Die Karbonoberfläche wurde bei 888 m erreicht. Dies
erforderte kapitalkräftige Investoren. Mit den Mutungsbohrungen hatten Kaufleute und Fabrikanten u.a. aus Ahlen und Beckum im Jahr
1900 begonnen. Bis 1910 waren fast alle Aktien im Besitz mehrerer Banken, die sich eines der letzten verfügbaren Grubenfelder im
Revier (und die zu erwartenden Gewinne) sichern wollten. Diese Hoffnung wurden durch den 1. Weltkrieg jäh beendet. Durch Rekrutieren
von Bergleuten und Kriegswirtschaft wurden erst Mitte der 1920er Jahren der Zechenanlage entstsprechende Fördermengen erreicht.
Die weitere Entwicklung wurde von der Übernahme durch die Deutsche Continental-Gas-Gesellschaft (DCGG) ab 1927 positiv beeinflusst.
Die DCGG betrieb ein großes profitables Ferngasnetz mit Schwerpunkt im damals stark industrialisierten Bereich Sachen/Sachsen-Anhalt.
Die Zeche selbst lieferte Gas an die Städte Ahlen, Bad Sassendorf, Beckum, Neu-Beckum, Soest, Rheda, Werl und Wiedenbrück.
1969 erwarb der Eschweiler Bergwergsverein die Zeche, um seine Koksbasis zu verbessern. Erst 1989 wurde sie in betriebstechnisch
besten Zustand in die RAG eingebracht (vollständig übernommen 1993). Damals war klar, dass ein profitabler Kohleabbau längerfristig nicht
möglich war. Die Kokerei wurde stillgelegt und der Abbau verlagerte sich nach Westen und das noch unverritzte Feld der Zeche Maximilian
ermöglichte für einige Jahre einen Restbetrieb. Die Stilllegung erfolgte im Jahr 2000.
Der Betrieb lief bis auf eine ohne die sonst im östlichen Ruhrgebiet häufigen Schlagwetterexplosionen, forderte aber auch Todesopfer.
1920 starben 17 Bergleute bei einem Seilriss, 1928 drei bei Reparaturarbeiten im Schacht, 1941 vier bei einem Blindschachteinsturz und 1965 drei
bei einem Gebirgsschlag. 1944 ereignete sich eine Schlagwetterexplosion mit 169 Toten, davon 101 russische Kriegsgefangene. Ohne den Raubbau
im Krieg hätte es dieses Unglück wohl nicht gegeben. Ähnliches gilt auch für die Zeche Monopol im Jahr 1946. Über Tage
starben kurz vor Kriegsende 92 Bergleute bei Luftangriffen.
Die Schachtanlage 1/2 lag deutlich abseits des damaligen Ackerbürgerstädtchens Ahlen. Die Zechenkolonie
blieb von diesem Bereich isoliert durch die Bahnlinie von Hamm nach Minden. Auch die eher konservativen, meist katholischen Bewohner
blieben auf Distanz zu den auf SPD und KPD ausgerichteten Bergleuten. Dies war auch bei vielen Zechen besonders nördlich der Emscher
so, wo die Belegschaften fast vollständig aus aus fernen Regionen angeworden wurden und zudem überwiegend protestantisch waren.
Diese Trennung bildete sich bis in die 1960er Jahre auch bei den konfessionellen Schulen deutlich ab.
Durch den späten Start der Zeche waren alle Betriebsanlagen stilistisch einheitlich und funktionell angeordnet. Das Erscheinungsbild
änderte sich dadurch kaum. Unverkennbar waren die beiden Fördergerüste. Es sind deutsche Strebengerüste der Bauart Zschetschke.
Hier waren die beiden Kranbühnen umgedreht aufgesetzt. Sie wurden im Rahmen von Umbauarbeiten bei der Förderung 1975 demontiert.
Die nicht für eine Folgenutzung geeigneten Betriebsgebäude wurden abgerissen (i.w. Kokerei, Kohlenwäsche und Kraftwerk). Die beiden
Fördergerüste mit den Fördermaschinenhäusern, Waschkaue, Lohnhalle und Werkstätten stehen unter Denkmalschutz und bilden den
Kern des sich noch entwickelnden Areals für Gewerbe und Dienstleistungen. Neben Weiterbildung und Kleingewerbe existieren u.a.
eine Indoorkletteranlage und eine Soccerspielfläche in der Waschkaue. Die Weiterentwicklung und Vermarktung betreut die
Projektgesellschaft Westfalen mbH. Die knapp 8,5 km lange Bahn zum
Zechenhafen am Datteln-Hamm-Kanal wurde zum Rad-/Fußweg umgebaut.
Die kleine Halde westlich des Zechenareals ist für sportliche Aktivitäten erschlossen. Die große bis 88 m hohe Osthalde ist
vollständig gegrünt und durch Wege erschlossen. Sie soll als ruhige Halde weiter bestehen. Es sind keine "Eventflächen" wie etwa
der Tetraeder in Bottrop oder das Horizontobservatorium in Herten geplant. Nur ein Gipfelkreuz wurde aufgestellt und ein Kreuzweg
ähnlich wie auf der Halde Haniel in Bottrop angelegt. Eine Förderverein kümmert sich um beide Installationen zu finden unter
Förderverein Ahlener Haldenkreuz.
Die am Zechengelände vorbeifließende Werse verursachte immer wieder Hochwasserschäden. Besonders gravierend waren sie 1946. Damals
drangen große Wssermengen in die Grube ein und die noch aktive Koksofenbatterie musste den Betrieb einstellen. Erst mit der
Verlegung des Flusslaufs endeten die Überschwemmungen.
Relativ spät begann 1936 das Abteufen von Schacht 3. Er wurde als Wetter-/Seilfahrtschacht nötig, da sich der
Abbau wegen der großen Tiefe zuerst in die Fläche ging. Er hatte ein in dieser Größe nicht nötiges Doppelbockgerüst. Offenbar
sollte er möglicherweise auch der Förderung dienen. Bis zum Ende waren nur zwei der vier Seilscheiben montiert. Zusätzlich
diente der Schacht auch der Materialwirtschaft. Er lag relativ mittig in Bezug auf die anderen Schächte. Er wurde 1987
nach der Inbetriebnahme der Schächte 6 und 7 aufgegeben und und 1989 verfüllt. Die Betriebsfläche ist komplett abgeräumt und
renaturiert. Die Benennung des Schachts als Magdeburg deutet wieder auf die damaligen Eigentümer hin. Der Firmensitz der DCGG
war Dessau.
Der Schacht 4 war nur zur Bewetterung vorgesehen. Er hatte ein kleines Turmfördergerüst für die Befahrung.
Das Betriebsgebäude umfasste neben der Fahranlage auch den Lüfter mit Diffusor. Da es gemauert war (üblicherweise Stahlfachwerk)
wirkte es wie eine kleine Burganlage. Das Gebäude ist abgerissen und die Fläche renaturiert. Aufgegeben wurde der Schacht um 1987
und 1990 verfüllt.
Der Schacht 5 wurde mit einem Doppelbockgerüst ausgestattet, das wie beim Schacht 3 nie seine volle Funktion
erreichte. Der Schacht lag östlich des Rosendahlsprungs. Die genaue Flözlagerung war beim Abteufen nicht bekannt. Man erhoffte wohl
so gute Aufschlüsse, dass ein eigener Förderstandort rentabel gewesen wäre. Neben zwei Überschiebungen traf man weitere
Störungen an. Ein Abbau fand nur in kleinem Rahmen statt. Theoretisch hätte sich dieser bis nach Beckum und weiter nordöstlich
ausdehnen können. Auch hier ist die Betriebsfläche renaturiert und nichts deutet die ehemalige Funktion an. Nur die Schlosserei
und ein Trafohaus werden privat genutzt. Der Schacht wurde 1986 aufgegeben und 1992 verfüllt.
Mit dem Schacht 6 begann die stärkere Ausrichtung auf das Westfeld, in dem bis dahin noch wenig Kohle abgebaut
wurde. Er war wie der Schacht 4 nur Luftschacht und hatte ausser dem Lüfter nur ein kleines Turmgerüst (im oberen Teil mit Blechen
verkleidet) zur Befahrung. Der Schachtbereich ist heute eingzäunt und auf dem Schacht steht eine Protegohaube. Der Rest der
Fläche wurde aufgeforstet.
Konsequenz der Westwanderung beim Abbau war der Schacht 7 als Seilfahrtschacht mit der vollständigen Infrastruktur
wie Waschkaue und Verwaltungsgebäuden. Der Abbau war so weit von der Förderanlage entfernt, dass die Wege für die Anfahrt unter
Tage zu lang wurden. Die Anlage wurde so gebaut, dass sie möglichst wenig im ländlichen Umfeld (Landschaftsschuzgebiet) störte. Daher
war das Turmfördergerüst zwar kompakt aber niedrig. Es diente auch der Materialförderung. Angedacht waren 30 Jahre Nutzungsdauer. Der
Schacht erschloss etwa 70 Mio. t Kokskohle des Maximiliangraben. Sie standen noch an, da die hier gelegene Zeche
Maximilian gleich
nach dem Betriebsbeginn absoff und danach nicht mehr in Betrieb kam. Auch der später versuchte Aufschluss von der Nachbarzeche
Sachsen aus war durch einen Wassereinbruch beim Schachtabteufen gescheitert.
Nach 20 Jahren endete der Betrieb vorzeitig und inzwischen sind alle Gebäude abgerissen. Das Schachtgerüst wurde 2011 gesprengt. Die
Fläche wurde einige Meter hoch angeschüttet und anschließend aufgeforstet (75 %, der Rest soll sich natürlich entwickeln). Nur
ein Sprengstoffbunker blieb als Fledermausbehausung stehen. Über dem Schacht steht eine Protegohaube.
Übersicht Schachtdaten
Schacht |
Teufbeginn |
Inbetriebnahme |
Stilllegung |
max. Teufe (m) |
Kokerei |
1 |
1909 |
1913 |
2000 |
1087 |
1914 - 1989 |
2 |
1909 |
1913 |
2000 |
1234 |
|
3 (Magdeburg) |
1936 |
1939 |
1987 |
1061 |
|
4 |
1940 |
1943 |
1987 |
885 |
|
5 (Düsseldorf) |
1953 |
1956 |
1986 |
1074 |
|
6 |
1962 |
1966 |
2000 |
1120 |
|
7 |
1976 |
1981 |
2000 |
1330 |
|
maximale Förderung 2.672373 t 1982
durchschnittlich 1,5 - 2,2 Mio. t/a
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- Schachtanlage 1/2 in den1920er Jahren
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- Schachtanlage 1/2 im Jahr 1958
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- Schachtanlage 1/2 im Jahr 1959
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- Schachtanlage 1/2 im Jahr 2016