Zeche Emscher-Lippe in Datteln
1908 - 1972
Die Zeche Emscher-Lippe entstand direkt neben Europas größtem Kanalkreuz und hatte damit beste
Verkehrsanbindungen. Hier treffen Rhein-Herne-Kanal, Dortmund-Ems-Kanal, Wesel-Datteln-Kanal und Datteln-Hamm-Kanal aufeinander.
Das erste Schleusenbauwerk, das Schiffshebewerk Henrichenburg steht heute unter Denkmalschutz. Es stammt aus dem Jahr 1899. Die
Schiffe wurden bis 1969 in einem Trog transportiert (14 m Höhenunterschied). Heute gehört es zu den technischen Dekmälern auf
der Route der Industriekultur.
Die ersten Mutungsbohrungen für die Zeche erfolgten schon 1878. Der Gründer und Inhaber der Bohrgesellschaft war Joseph Rive. Er war
der Generaldirektor der Zeche Wolfsbank in Essen-Bergeborbeck. Er hat wohl schon früh erkannt, dass auf Dauer Kohle im nördlichen
Ruhrgebiet günstiger zu fördern war. Ihm fehlten aber die finanziellen Mittel für das Schachtabteufen. Erst nach dem Erwerb durch
die Firma Krupp im Jahr 1901 begann die Erschließung. Die Benennung wurde nach dem Namen der Felder vorgenommen, die die Lage
zwischen Emscher und Lippe andeuten.
Wie bei allen Zechen weitete sich der Abbau nach Norden aus und weitere Schächte wurden abgeteuft. Die ländliche Umgebung wurde
dadurch aber wenig verändert. Nur die Ortschaft Datteln wuchs mit der Anlage großer Zechensiedlungen zu einer Mittelstadt heran.
Als spätere staatliche Zeche lieferte Emscher-Lippe Kohle an die Reichs- und Bundesbahn. Mit der Umstellung auf elektrischen
Betrieb waren Kraftwerke für eine sichere Stromversorgung nötig. Als im östlichen Ruhrgebiet ein solches notwendig wurde konnte
die Zeche einen Vertrag mit der Bundesbahn abschließen. Ab 1964 wurde ein Kraftwerk gebaut, das bis 1969 komplett in Betrieb war
und etwa 20% des deutschen Bahnstroms erzeugte. 2006 kündigte der damalig Eigentümer E.ON eine Stillegung zum Ende 2012 an,
da die nötigen Nachrüstungen zu teuer wären. Stattdessen wurde auf der gegenüberliegenden Kanalseite ein neues Kraftwerk gebaut.
Da hier gravierende Abweichungungen von der Genehmigung vorlagen (u.a. zu nah an bestehender Bebauung) war die geplante Inbetriebnahme
umstritten. Die Altanlage (Datteln 1 -3) konnte mit einer Sondergenehmigung noch bis 2014 weiter arbeiten. Am Kraftwerk hängt auch
die Fernwärmeversorgung großer Teile der Stadt Datten. Mitte 2014 wurde der Bebauungsplan neu aufgestellt worden und damit das
Kraftwerk "durch die Hintertür" genehmigt. Als Datteln 4 ging es 2020 ans Netz.
Das Kraftwerk hat eine elektrische Leistung von 1100 MW (brutto) und 1052 MW (netto) aus 2.600 MW Feuerungswärmeleistung und
damit einen Bruttowirkungsgrad von 42 %. Es istdas leistungsfähigste Steinkohlekraftwerk Europas mit nur einem Kraftwerksblock.
Die Deutsche Bahn bezieht etwa ein Viertel ihres Stroms aus dem Kraftwerk.
Das Projekt ist weiter umstritten. Das Kraftwerk soll noch bis 2038 laufen. Kritisiert wird u.a. auch der Einsatz von Importkohle.
Sie stammt aus Tagebauen die vor Ort meist extreme Umweltschäden verursachen.
Die Anlage 1/2 kam wegen Schwierigkeiten mit Wassereinbrüchen beim Abteufen erst ab 1908 in Gang. 1903 begann
das Teufen von Schacht 1 und 2. Durch die Verzögerungen ging der Bau der Tagesanlagen recht schnell voran. Sie waren technisch
auf dem neuesten Stand. Gleichzeitig nahm auch die Kokerei ihren Betrieb auf. Die Anlagen genügten bis zur Stilllegung den
Anforderungen. Wegen der relativ kleinen Gerüste war es aber nicht möglich, wie auf anderen Zechen in den 1960er Jahren die
Förderung von Etagen mit Förderwagen auf die automatische Skipförderung (Großbehälter) umzustellen. Nach der Stilllegung wurde das
Gelände komplett abgeräumt und für Gewerbe und Dienstleistungen erschlossen. Die Kokerei blieb noch bis 1975 in Betrieb. Beide
Schächte sind mit Protegohauben versehen und liegen auf den Grünstreifen zwischen den angrenzenden Betrieben. Sie wurden 1975
abgerissen, die meisten Betriebsgebäude erst 1984/85.
Bis zum 2. Weltkrieg war die Zeche technisch auf dem aktuellen Stand. Selbst 1943 wurden noch weitere Ausbauten vorgenommen. Auch
die Kohle- und Koksproduktion lag weit über dem Durchschnitt. Dies war nur möglich durch den Abbau der besten Flözpartien und den
Einsatz von Fremdarbeitern, Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern. Erst am 9. November 1944 kam der erste große Bombenangriff, der
kleinere Schäden erzeugte. Kurz vor Kriegsende folgt am 9. März 1945 ein Großangriff. Neben Zerstörungen in den Zechenkolonien
waren die Zechenanlagen stark betroffen. Weitere Schäden brachte ein Angriff am 14.März.
Bei den Angriffen starben 304 russische Kriegsgefangene und 25 ukrainische Zwangsarbeiter. Sie waren in einem Barackenlager
eingesperrt und ohne jeden Schutz. 171 weiter Gefangene und 76 Zwangsarbeiter verloren von 1942 bis 1945 ihr Leben. Insgesamt
waren bis zu 1800 Gefangene im Lager. Die Verpflegung war so schlecht, dass viele an Entkräftung starben. Besonders zynisch war
dar "Lohn" der Gefangenen. Sie erhielten 5% des Normalbetrags, der auch willkürlich gekürzt werden konnte. Ausgeben konnten sie
den Lohn nur bei einem Wirt in der Nähe, der überteuert Tabak, Dünnbier und sicher keine Lebensmittel verkaufte. Bergleute, die
den Russen aus Mitleid etwas zu Essen gaben landeten im Zuchthaus oder durften sich an der Ostfront "bewähren", was einem
Todesurteil gleich kam.
Der Abbaubetrieb lief weitestgehend unfallfrei. 1908 starben bei verbotener Seilfahrt vier Bergleute durch einen Seilriss und
durch Strebbrüche verlore 1936 vier, 1950 vier und 1951 drei Bergleute ihr Leben.
Die Anlage 3/4 wurde während des 1. Weltkriegs angelegt und kam daher erst ab 1922 richtig in Betrieb, als
auch die Kokerei anlief. Da die erschlossenen Flöze zu den Esskohlen gehörten wurde die Förderung zunächst ausgesetzt. Diese
Kohlensorte eignete sich nur als Hausbrand oder bedingt zur Brikettherstellung. Später wurde hier nur in Ausnahmen gefördert.
Die Anlage 1/2 blieb die eigentliche Förderanlage. Am Schacht 3/4 bestand eine Kokerei und der Zechenhafen wurde hier angelegt.
Nach der Stilllegung blieb auch hier die Kokerei, die schon 1954 an einen Hersteller von Gießerei-Spezialkoks abgegeben wurde
bis 1983 in Betrieb. Der Koks wurde fast zu 80% mit der Bahn transportiert, ein Teil mit LKW. Nur 10 - 15% wurden verschifft.
Damit wurde der Hafen kaum noch genutzt. Das komplett abgeräumte Betriebsgelände ist zum großen Teil mit Wald bewachsen. Beide
Schächte sind eingezäunt und mit Protegohauben versehen. Der Abriss folgte demselben Schema wie bei Schacht 1/2.
Die nachrangige Bedeutung der Anlage zeigen die Stillstandsphasen von 1916 bis 1919 (Arbeitskräftemangel) und 1931 wegen der
Weltwirtschaftskrise. Im Schacht 3 war nur eine Förderung statt der üblichen zwei eingebaut. Schacht 4 hatte keine Einbauten.
Das Fördergerüst blieb ohne Seilscheiben. Zur Befahrung diente ein um 90° versetzter Haspel.
Mitte der 1930er Jahre wurde auf der Fläche der alten Bergehalde ein Luftschutzbunker angelegt und überkippt. Eine Ersatzhalde
ging auf der östlichen Kanalseite in Betrieb. Dazu wurde eine kurze Betonstelzenbrücke mit einem Bahngleis auf zum Transport
der Berge gebaut.
Der Schacht 5 wurde ab 1926 für das Nordfeld der Anlage 1/2 abgeteuft. Der geplante Ausbau zum Seilfahrt-
und Materialschacht kam durch die Weltwirtschaftkrise nicht zustande. Er wurde nur noch mit einer einfachen Förderung ausgerüstet,
um die Beteiligungsziffer beim Kohlesyndidat zu sichern. Zur Führung des Förderkorbs waren nicht wie üblich Spurlatten eingebaut.
Sie erfolgte mit Drahtseilen (30 mm Durchmesser) wie im englichen Bergbau üblich. Die Kohle wurde mit einer Schmalspurbahn zur
Aufbereitung am Schacht 1/2 gebracht. Später war er reiner Wetterschacht und der tiefste der Zeche. Die ursprünglich geplante
Gleisanbindung an die Anlage 1/2 für Materialtransporte daher nicht verwirklicht, da die neu erschlossenen Flöze nicht den
Erwartungen entsprachen.
Bis zum geplanten Umbau zur Seilfahrtanlage stand noch bis 1960 das hölzerne Abteufgerüst. Es wurde nur ein kleines Gerüst
aufgestellt, das der Personenbeförderung zwischen der vierten und sechsten Sohle diente. Der ursprünglich am Rand der Bebauung
gelegene Schacht befindet sich heute in einer Wohnsiedlung. Die Schachtscheibe ist eingezäunt
und mit Schotter überdeckt. Ein Schild mit Daten und Koordinaten erinnert an den Schacht.
Der Schacht 6 wurde zur Bewetterung des 1955 erworbenen Nordfeldes nötig und hatte keine Einbauten. Er lag
in einem rein landwirtschaftlich gepägten Umfeld und wurde möglichst unauffällig geplant. Die 1999 umgebaute Befahrungsanlage
war nur 14 m hoch als Turm ausgeführt und mit einem begrünten Wall umgeben. Es wurde auch ein Rekultivierungsplan erstellt, der
nach der endgültigen Stilllegung realisiert wurde. Heute ist vom Schacht nichts mehr erkennbar. Der Schacht war 1972 konserviert
worden und wurde 1990 noch einmal für die Bewetterung der Bergwerks Haard reaktiviert.
Übersicht Schachtdaten
Schacht |
Teufbeginn |
Inbetriebnahme |
Stilllegung |
max. Teufe (m) |
Kokerei |
1 |
1902 |
1906 |
1972 |
860 |
1908 - 1975 |
2 |
1903 |
1907 |
1972 |
860 |
|
3 |
1907 |
1912 |
1972 |
860 |
1922 - 1983 |
4 |
1912 |
1915 |
1972 |
860 |
|
5 |
1926 |
1929 |
1972 |
1060 |
|
6 |
1961 |
1964 |
zu Ewald Fortsetzung |
758 |
|
maximale Förderung 1.840858 t 1943
durchschnittlich 1 - 1,2 Mio. t/a
Der Schacht 6 wurde von der Zeche Ewald Fortsetzung/Bergwerk Haard übernommen und im Jahr 2000 endgültig
aufgegeben, nachdem ein weiterer Bergbau in Raum Datteln ausgeschlossen wurde. Als der Schacht abgeteuft wurde bestanden noch
Hoffnungen für ein neues Abbaufeld der Zeche Emscher-Lippe, da man beim Auffahren des Querschlags bauwürdige Flöze der
Fettkohlengruppe angetroffen hatte. In der späteren Erkundungsphase wurde eine Störungszone angefahren. Zwar wurden die Flöze
mit einem geringen Versatz wieder gefunden, aber nicht weiter verfolgt. Später stellte sich der Abbau vom Bergwerk Haard aus
als protitabel dar. Ohne diesen Kohlevorrat konnte die Zeche nicht überleben. Mögliche Vorräte in größerer Teufe waren wegen
der hohen Kosten nicht erschließbar, da eine 320 m starke Schicht ohne bauwürdige Flöze diese vom bestenden Grubengebäude
trennte.
Die verfrühte Stilllegung soll auch mit der Eingliederung in die RAG zusammenhängen. Traditionell war die Zeche wegen ihrer
Lage im Vest Recklinghausen dorthin ausgerichtet. Sie kam aber zur Zechengruppe Dortmund. Hier bestanden keine "Seilschaften"
wie die Bergleute das Beziehungsgeflecht in den oberen Verwaltungsebenen nennen. So fehlten die üblichen Strippenzieher. Der
Zechenbetrieb wäre in der Gruppe Recklinghausen relativ gut aufgestellt gewesen, im Vergleich zu den Dortmunder Anlagen war
er ungünstig. Dies ist sicher nur ein Teil der Wahrheit. Der Abbau hätte nur mit besonderen Auflagen wegen des Wesel-Datteln-Kanals
und damit kostspieliger erfolgen können. Dazu wären kilometerlange Transportwege gekommen und es fehlte eine zeitgemäße
Skipförderung.
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- Schacht 1 und 2 um das Jahr 1910
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- Zechentor um das Jahr 1929
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- Ansicht Schacht 1/2 um das Jahr 1929 vom Kanal aus gesehen
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- Schacht 1/2 um das Jahr 1929
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- Schacht 1/2 aus der Luft im Jahr 1932
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- Schacht 1/2 aus der Luft im Jahr 1982
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- Zecheneingang mit Schacht 1 um 1970
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- Missglückte Sprengung von Schacht 1
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- Schacht 1 mit Kohlen- mischanlage des Kraftwerks im Jahr 2009
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- Protegohaube von Schacht 1 im Jahr 2009
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- Schacht 2 im Jahr 1907 beim Bau der Schachthalle
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- Schacht 2 im Jahr 2009
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- Schacht 2 im Jahr 2009
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- Schacht 2 im Jahr 2009 vor Kraftwerksbaustelle
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- Schacht 3 im Jahr 1913
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- Schacht 3 im Jahr 1958
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- Schacht 3 im Jahr 1965
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- Schacht 3/4 im Jahr 1929
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- Kokerei Schacht 3/4 im Jahr 1929
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- Schacht 3/4 im Jahr 1929
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- Schacht 3/4 im Jahr aus der Luft im Jahr 1932
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- Schacht 3/4 im Jahr aus der Luft im Jahr 1959
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- Schacht 3/4 im Jahr aus der Luft im Jahr 1959
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- Schacht 3 im Jahr 2009
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- Schacht 3 im Jahr 2009
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- Schacht 3 im Jahr 2009
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- Protegohaube von Schacht 3
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- Schacht 4 im Jahr 2009
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- Schacht 4 im Jahr 2009
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- Schacht 4 im Jahr 2009
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- Schacht 5 im im Jahr 1928 mit Abteufgerüst
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- Schacht 5 im im Jahr 1958 mit Abteufgerüst
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- Schacht 5 nach Umbau im Jahr 1965
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- Schacht 5 im Neubau- gebiet im Jahr 2009
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- Schacht 5, aufgeschot- terte Schachtscheibe
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- Schacht 5 Schachtmarkierung
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- Schacht 6 im Jahr 1965
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- Schacht 6 im Jahr 1966
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- Schacht 6 im Jahr 1990 nach Umbau
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- Schacht 6 in der Sillstandsphase
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- Siedlung Beisenkamp im Jahr 1932, oben rechts Alt-Datteln
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- Kraftwerk Datteln 1 - 3 im Jahr 1970
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- Kraftwerk Datteln 1 - 3 im Jahr 1984
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- Kraftwerk Datteln 1 - 3 im Jahr 2011 mit Block Datteln 4
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