Zeche Niederberg in Neukirchen-Vluyn
1911 - 2001
Das Grubenfeld der Schachtanlage Niederberg wurde schon 1857 verliehen. Da es damals weitab von aktiven Zechen
lag und für die Erschließung viel Kapital nötig war, dauerte es bis 1912 zum Abteufen des ersten Schachts. Ausschlaggebend war
der Bau einer Bahnlinie, ohne die keine Kohle transportiert werden konnte. Betreiber war die Niederrheinische Bergwerksgesellschaft.
Mit der Kurzform Niederberg wurde auch die Zeche benannt, offiziell ab 1970.
Von Beginn an lief der Betrieb nur mit Schwierigkeiten und nach den Inflationsjahren bestand immer die Möglichkeit des wirtschaftlichen
Ruins. Er konnte gerade noch verhindert werden. Durch die Weltwirschaftkrise lag die Zeche aber vom 15. Juli 1932 bis zu 5.
September still. Ein neues kostensenkendes Abbauverfahren war zunächst nicht genehmigt worden, führte danach zu einer Konstenreduktion.
Da kaum kokstaugliche Kohle anstand wurde Niederberg eine reine Hausbrandzeche. Bis 1954 wurde Esskohle abgebaut, die ihren Namen
durch die Verwendung in der Schmiedefeuerung (Esse) erhalten hatte. Dazu kam später noch der Absatz an kleine Heizkraftwerke
für Fernwärmenetze. Hierfür entwickelte man ein Prokukt aus gemahlener Kohle, das wie Öl in Tankwagen transportiert wurde und in
speziell entwickelten Heizkesseln zum Einsatz kam. Es wurde unter dem Namen Carborat vertrieben. Gegen die Bezeichnung Caboral hatte
die Firma Aral (wohl wegen der möglichen Assoziation) geklagt. Die Mineralölkenzerne wurden gerade zur schärfsten Konkurrenz
der Zechen. Ab 1957 lieferte ein Kraftwerk Strom in das öffentliche Netz und bildete ein weiteres Standbein der Zeche. Auch die
Zechensiedlungen wurden an Fernwärme angschlossen. Trotz schon früh eingeführter Mechanisierung unter Tage konnte langfristig kein
Profit erzielt werden. In den 1960 Jahren stieg die Förderung sogar, da die meisten Hausbrandzechen stillgelegt wurden und eine
Zeit lang die Zeche Niederberg den Förderausfall kompensierte. Die Brikettfabrik konnte mit fast neuwertigen Pressen von
den stillgelegten Zechen Carl Funke und Katharina in Essen günstig modernisiert werden. Von den 10000 t Tagesförderung Mitte der
1960er Jahre waren 70% Anthrazit und die Zeche damit die größte Anthrazitzeche Europas. Beim Absatz suchte man auch durch
in Tüten abgepackte Kohle neue Wege, auch als Campingkohle (s.u.).
Die beiden Ortteile Vluyn und Neukirchen wuchsen langsam mit der dazwischen liegenden Zeche und ihren Werkssiedlungen zusammen.
Ansonsten blieb das ländliche Umfeld erhalten, da im Bereich der weiteren Schächte nur kleinere Werkssiedlungen entstanden und
keine größeren Betriebe wie im Kernruhrgebiet um die Zeche herum entstanden.
2001 wurde die Förderung eingestellt, da der Absatzmarkt wegbrach und zudem Importkohle deutlich preiswerter war und die Zeche dem
Bergwerk West (Kamp-Lintfort) angegliedert. Unter Tage bestand seit 1987 eine Verbindungsstrecke. Ein Weiterbetrieb fand nicht mehr
statt. Die Transportwege wären extrem lang geworden und das Bergwerk West baute teilweise dieselben Flöze ab. Die Anlagen wurden nach
2002 zum größten Teil abgerissen und die Schächte verfüllt.
Bis 1958 ereigneten sich keine größeren Unglücke. In diesem Jahr starben acht Bergleute bei einer für die Kohlelagerstätte untypischen
Schlagwetterexplosion. 1967 forderten zwei Strebbrüche jeweils fünf Todesopfer und 1999 wurden drei Bergleute bei der Reparatur einer
Dieselkatze. Dabei entzündete sich Kohlenstaub oder Methan.
Als letzte große Schachtanlage am Niederrhein wurden die Schächte Niederberg 1 und 2 in Neukirchen-Vluyn
abgeteuft. Erst in der Mitte der 1950er Jahre wurde der Abbau so weit ausgedehnt, dass neue Schächte geteuft wurden. 1967
ging der Schacht 5 in Betrieb. Er wurde mit dem Aufschluss der 5. Sohle benötigt, da eine Umrüstung von Schacht 1 oder 2 nicht
ausreichte. Er wurde als Turmförderanlage in Stahl ausgeführt (mit Platten verkleidet) und prägte das Gesamtbild der Zechenanlage.
Hier wurde bis zur Stilllegung die gesamte Förderung gehoben. Normalerweise wäre eine Skipförderung eingebaut worden. Hier
wurde weiter eine Gestellförderung mit Kohlewagen betrieben. Damit wollte verhindern, dass sich der Anteil der Feinkohle
nicht vergrößerte, da diese fast nur zu Briketts verarbeitet werden konnte, deren Absatz immer schwieriger wurde.
Die Gerüste von Schacht 1 und 2 sind mit den Födermaschinenhäusern als Denkmal erhalten. Das Stebengerüst in Fachwerkbauweise
auf Schacht 2 ist original erhalten. Über Schacht 1 steht eine jüngeres Gerüst in Stahlkastenbauweise, das 1986 in Nutzung kam.
Beide sind typische Bauformen, die im gesamten Ruhrgebiet verbreitet waren. Erhalten sind die Fördermaschinenhäuser, das
Maschinenhaus und die beiden Torhäuser. Am ehemaligen Gebäude der Grubenwehr befindet sich die Methangasabsaugung. Auf der
umliegenden freigeräumten Fläche (bis auf das ehemalige Magazingebäude) sollen langfristig Gewerbebetriebe entstehen.
Die gesamte Fläche um den Schacht 5 herum ist komplett abgeräumt. Westlich davon ist Wohnbebauung entstanden. In dem verbindenden
Stadtquartier zwischen den Ortsteilen Neukirchen und Vluyn lebten 2020 etwa 900 Personen. Diese positive Entwicklung soll sich
im westlichen Bereich fortsetzen. Ende 2019 wurde ein städtebauliches Konzept mit insgesamt 52 Einfamilienhauseinheiten vorgestellt.
Die tatsächliche Anzahl wird sich aus den individellen Wünschen ergeben (Einzel-/Doppel- oder Reihenhäuser).
Die Achse Schacht 5 - Schacht 1/2 ist landschaftsgärntnerisch gestaltet und dient der Naherholung und ist gleichzeitig eine
Frischluftschneise. Der Schacht 5 liegt unter einer Aufschüttung. Darauf sitzt eingezäunt eine Pegelanlage zur Messung des
Standwassers unter Tage. Der Schacht wurde nach dem Bergwerksdirektor Heinz Merkel (1952 bis 1969) benannt.
Die südlich der Schächte liegende "Neue Kolonie" weist eine ansprechende dem Niederrhein angepasste Bauweise mit unverputzten
Ziegeln auf. Einige Häuser weisen auch geschwungene Giebel auf (niederländischer Stil). Sie besteht aus knapp 30 Doppelhauskonfigurationen
mit zwei Geschossen und kleineren Wohnungen im Dachgeschoss. Durch die Aufreihung an den Straßen entstanden große Innenhöfe.
Gebaut wurde die Siedlung zwischen 1926 und 1929. Da sie komplett erhalten ist wirkt sie sehr homogen und bietet eine hohe
Wohnqualität.
Zur Erschließung des Südfeldes wurde in Kapellen der Schacht 3 abgeteuft. Der Schacht 2 reichte für die
Bewetterung nicht mehr aus. Da der neue Schacht auch zur Seilfahrt dienen sollte wurden in der Nähe Zechenwohnungen gebaut.
Ursprünglich war eine größere Anlage geplant. Die Lagerstätte war aber so stark gestört, dass die nötigen Vorräte nicht
ausreichten. Der Abbau in diesem Feldteil wurde ab den 1980er Jahren weitgehend eingestellt. Heute ist das Gelände abgeräumt
und das anfallende Methan wird in einem Blockheizkraftwerk verwertet. Langfristig soll die Fläche renaturiert werden.
Im Jahr 2003 wurde das Schachtgerüst in 25 Teile zerlegt. Es sollte in Herzogenrath zur Attraktion des dort am ehemaligen
Schacht Adolf der EBV-Zeche wieder aufgestellt werden. Das letzte verbliebene Gebäude der Zechenanlage wurde dort denkmalgerecht
instandgesetzt und beherbergt eine gut erhaltene Fördermaschine von der Gutehoffnungshütte Sterkrade aus dem Jahre 1913.
Offenbar wegen der Kosten wurde das Projekt möglich unauffällig beerdigt. Ausser einem "Jubelartikel" in der Mitarbeiterzeitschrift
der DSK ist dazu nichts mehr zu finden. Der Erhalt des Gerüst wäre interessant gewewsen, hätte am vorgesehenen Standort aber
das historische Bild verfälscht. Dort war das Gerüst in Stahlfachwerk ausgeführt, das von Niederberg als Vollwandgerüst.
Als weiterer Schacht zur Erschließung des Westfeldes wurde in Kempen der Schacht 4 abgeteuft. Er war nach
dem Schacht 4 der Zeche Friedrich Heinrich der zweitwestlichste Schacht im gesamten Revier. Auch hier enstanden Wohnungen für
die Bergleute in direkter Nachbarschaft. Von hier aus wurden ab den 1980er Jahren die Kohlenvorräte im Nordosten des Grubenfelds
erschlossen und abgebaut.
Das Fördergerüst ist in Stahlkastenbauweise (Bauart Dörnen) erstellt und ist eines der letzten erhaltenen dieser Bauart. Durch
die Lage direkt neben der A40 ist es auch eine Landmarke. Das Gelände sah 2015 noch wie zu Betriebszeiten aus. Auf jeden Fall
soll das inzwischen unter Denkmalschutz stehende Fördergerüst erhalten bleiben. Dafür hatte eine Bürgerinitiative lange gekämpft.
Übersicht Schachtdaten
Schacht |
Teufbeginn |
Inbetriebnahme |
Stilllegung |
max. Teufe (m) |
Brikettfabrik |
1 (Moers 1) |
1912 |
1917 |
2001 |
780 |
1924 - 1998 |
2 (Moers 2) |
1913 |
1919 |
2001 |
780 |
|
3 |
1954 |
1956 |
2001 |
630 |
|
4 |
1959 |
1962 |
2001 |
780 |
|
5 (Merkel) |
1964 |
1967 |
2001 |
1162 |
|
maximale Förderung 2.961580 t 1975
durchschnittlich 2 - 2,8 Mio. t/a
Die Kohlenlagerstätte im Bereich der Zeche Niederberg ist vergleichsweise ungünstig. Die Flöze sind
im Schnitt nur einen Meter mächtig und es gibt nur wenige bauwürdige Flöze, die große Abstände haben. Die Konsequenz war ein
großflächiger Abbau mit großen Abständen der Sohlen. Abgebaut wurden beispielsweise 1986 die Flöze Girondelle 5 (2,10 m) und
Girodelle 4 (1,10 m) bei etwa 440 m Teufe, das Flöz Finefrau (1,10 m) bei 590 m Teufe, die Flöze Geitling 2 (0,80 m) und
Geitling 1 (0,90 m) bei 700 m Teufe und das Flöz Mausegatt (0,90 m) bei rd. 800 m Teufe. Die Werte beziehen sich auf Schacht 1.
Dieser Nachteil konnte durch den Einsatz moderner Abbautechniken wettgemacht werden. Positiv wirkte sich das stabile Nebengestein
der Wittener Schichten aus, zu denen die Flöze gehören. Dadurch konnte die Ankertechnik eingesetzt werden, die beim Auffahren
der Strecken zu den Abbaubetrieben schneller und kostengünstiger ist. Dabei kann auf den üblichen Stahlausbau verzichtet werden.
1999 erreichte die Zeche als erste im Revier eine verwertbare Förderung von 9000 kg pro Mann und Schicht. Die Streblängen betrugen
300 bis 350 m.
Eine Folge der weit von den Schächten entfernten Abbaubetriebe war ein Schnellzugsystem unter Tage. Eine dieselbetriebener
Zug fuhr auf einer Strecke von 5,5 km Länge, ein akkubetriebener sogar bis 7,8 km. Die Fahrgewindigkeiten waren 25 bzw. 28 km/h.
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- Schacht 1 während der Bauphase
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- Schacht 1 im Jahr 1916
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- Schacht 1/2 in den 1920er Jahren
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- Ausbau am Schacht 2 in im Jahr 1922
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- Schacht 1/2 in den 1950er Jahren
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- Schacht 1/2 in den 1980er Jahren
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- Schacht 1/2 aus der Sicht von Schacht 5
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- Gelände Schacht 1/2 im Jahr 2015
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- Schacht 1/2 Rest- gebäude im Jahr 2015
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- Schacht 1 im Detail
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- Schacht 2 im Detail
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- Schacht 3 kurz vor der Fertigstellung 1957
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- Schacht 3 im Detail
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- Zerlegung des Schachtgerüsts im Jahr 2003
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- Methanverwertung am Schacht 3 im Jahr 2015
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- Protegohaube auf Schacht 3 im Jahr 2015
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- Schacht 4 im Jahr 1962
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- Schacht 4 im Jahr 1969 aus der Luft
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- Schacht 4 im Jahr 2015
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- Schacht 4 im Jahr 2015
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- Schacht 5 bei der Inbetriebnahme im Jahr 1969
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- Schacht 1/2/5 im Jahr 1991 aus der Luft
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- Grünfläche Schacht 5
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- Gelände am Schacht 5
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- Zaun über Schacht 5
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- Schachtmarkierung Schacht 5
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- Wohnbebauung westlich von Schacht 5
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- "Neue Kolonie" im Jahr 2015
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- Zechensiedlung
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- Zechensiedlung
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- Zechensiedlung
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- Zechensiedlung
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- Zechensiedlung
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- Zechensiedlung
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- Zechensiedlung
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- Zechensiedlung
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- Zechensiedlung
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- Auslieferung von Kesselkohle noch als Carboral
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- Belieferung des Heiz- kraftwerks am Schacht 3, jetzt als Carborat
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- Werbung für Hausbrandkohle
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- Sauber verpackte Kohle in haushaltsüblichen Mengen
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