Nordstern in Gelsenkirchen-Horst

1857 - 1993



Die Schachtanlage stand anfangs unter keinem guten Stern. Nach einer sehr schwierigen Anlaufphase lag sie in der Bergbaukrise der 1920er Jahre sogar 1925 still. Danach entwickelte sie trotz des kleinen Grubenfeldes aufgrund ihrer Lage zu einer förderstarken Anlage und erreichte eine Betriebsdauer von fast 140 Jahren.
Der Name der Zeche ist etwas allegorisch. Sie war bei ihrer Gründung die nördlichste im Revier. Der Stern flackerte allerdings heftig. Lange wagte in den nördlich angrenzenden Bereichen von Gladbeck und Gelsenkirchen kein Investor die Neuanlage einer Zeche. Die Gründe waren die erschlossenen Flöze (Gas-/Gasflammkohle), die anfangs schlechte Verkehrsanbindung und die besondere rechtliche Situation des Regalrechts. Erschwerend war auch die Art der Mutung.
Die Kohlenarten im Feld Nordstern waren um die Mitte des 19. Jahrhunderts nicht leicht zu vermarkten, da sie nur bedingt als Hausbrand taugten. Später waren sie als Kokskohlenzuschlag und Kraftwerkskohle begehrt und besonders in der Zeit des NS-Regimes für die Herstellung von Benzin gefragt. In Horst entstand das damals größte Hydrierwerk kurz vor Beginn des 2. Weltkriegs. Mit den Bau des Rhein-Herne-Kanals war die verkehrliche Anbindung so gut, dass eine Zentralkokerei für die umliegenden Konzernzechen gebaut wurde.
Bis es soweit war standen zahlreiche Probleme im Weg. 1855 begann die Bohrgesellschaft Carnap mit Mutungsbohrungen. Zu dieser Zeit musste noch der Nachweis der Bauwürdigkeit eines erbohrten Flözes durch "Aufdecken" erfolgen. Das war bei den weiter südlich liegenden Zechen nicht schwierig wo ein Schurf ausreichte oder ein Schacht mit geringer Teufe im Dezimeterbereich. Da der Bohrgesellschaft Carnap das Kapital dazu fehlte wurde 1856 die Essen-Arenberger Bergbau-Gesellschaft gegründet. Mit viel Optimismus begann man mit dem Abteufen eines Schachts, der später auch der Förderung dienen sollte. Das Vorhaben mißlang. Ein Grund war der traditionelle ovale Querschnitt des Schachts, der nur bei den geringeren Teufen und im direkt anstehenden Karbon standsicher war. Ein weiterer die Inkompetenz des beauftragten Schachtsteigers, der beim Durchteufen der Fließsande (Emschertal) Anweisungen gab, die den Schacht ruinierten. Später stellte sich heraus, dass er ein starker Alkoholiker war. Die Bergbehörde machte sogar die Auflage, ihn zu entlassen zur Voraussetzung für weitere Arbeiten. Diese übernahm Hubert de Gallois von der Zeche Dahlbusch. Diese betrieb ein englisch-belgisches Konsortium und brachte das bis dahin im Ruhrgebiet fehlende Knowhow mit. Jetzt gelang es, einen 157 m südwestlich neu angesetzten Schacht bis zu Mergel in knapp 70 m abzuteufen. Ganz glatt ging dies nicht, da das zufließende Wasser nur mit Mühe bewältigt wurde. 1858 stürzte das Teufgerüst zusammen (kein Personenschaden). 1860 war das Kapital augebraucht und der Schacht ersoff.
Die Verleihung des Grubenfeld fand schon 1859 statt, obwohl das erbohrte Flöz noch nicht erreicht war. Die Essen-Arenberger Bergbau-Gesellschaft wurde zu einer Aktiengesellschaft gewandelt, um das nötige Kapital einzuwerben. Dies gelang nicht und hatte eine mehrmalige Verlängerung (je zwei Jahre) der Frist zur Betriebsgenehmigung zur Folge. 1865 trat dann Friedrich Grillo auf den Plan, der die Gesellschaft zusammen mit dem Hüttenbesitzer Ernst Honigmann und der Handelsgesellschaft Mathias Stinnes in eine bergrechtliche Gewerkschaft umwandelte. Alle drei waren stark im Bergwerks- und Eisenhüttenbereich engagiert. Die Gewerkschaft auf Kuxen blieb bis zu 1869 bei dieser Rechtsform trotz ihrer zuweilen aberwitzigen Anteilsberechnung (siehe Glossar Grubenfelder). Nun ging das Abteufen weiter und im Oktober 1866 wurde in 204,5 m das Karbon erreicht. Damit war das Bergwerk verliehen und der Kohleabbau genehmigt. Die Förderung lag bis 1869 nur bei 12169 t/a, war also völlig unwirtschaftlich. Auch der Ausbau des Grubengebäudes war problematisch. Die nach Norden erforderliche Wetterstrecke musste wegen des vorgeschriebene Sicherheitspfeilers zum Mergel (Gefahr von Wassereinbrüchen) etwa 42 m tiefer liegen und der Schacht hatte zufällig die flözärmsten Partien erschlossen. Als die französische Gesellschaft Sociéte anonyme des Charbonnages du Nord ein Kaufangebot machte nahmen die Gewerken dieses an.
Die neue Gesellschaft investierte kaum in die Anlage. Das Grubenfeld wurde 1869 durch Kauf des Feldes Neu-Horst vergrößert. Schon 1873 folgte der Konkurs, da die Scheinkonjunktur nach dem Deutsch-Französischen Krieg endete. Nun übernahm die Aktiengesellschaft Steinkohlenbergwerk Nordstern mit dem Untertitel Sociéte anonyme des Charbonnages de Nordstern den Betrieb. Der Unternehmenssitz wurde von Paris nach Essen verlegt. Wirtschaftliche erfolgte blieben aus und 1878 folgte eine etwas mysteriöse Zwangsversteigerung, bei der die Eigner ihren Betrieb zurück ersteigerten.
Die endgültige Absicherung der Zeche folgte 1907 mit dem Erwerb durch die Hüttengesellschaft Phönix, die einen konsequenten Ausbau und Modernisierungen einleitete, insbesondere nach der Fertigstellung des Rhein-Herne-Kanals 1914.


Norstern 1/2
Der erste Schacht unter dem Namen Blücher (nach der Mutungsbohrung) wurde bei einer Teufe von 11 m wegen Fließsand aufgegeben und 157 m südwestlich neu geteuft. Dieser soff wegen starker Wasserzuflüsse bei 96 m Teufe ab. Ab 1865 begann das Sümpfen (Abpumpen des Wassers) und 1866 wurde bei 205 m das Karbon erreicht. Wie schon oben angedeutet war der erst sehr spät einsetzende profitable Abbau der Kohle damals nicht erkennbar (überwiegend flache Lagerung). Dies gilt besonders für die zur Kokserzeugung besonders geeignete Fettkohle. Der Standort wurde erst 1928 mit der Inbetriebnahme der Zentralkokerei am Kanalhafen gesichert. Diese lieferte die Rohstoffe für die weiter westlich entstehende Gelsenberg Benzin AG. Die Öfen hatten eine Höhe von 6 m und waren damit doppelt so hoch wie bei den bisher gebauten Kokereien. Erst mit dem Neubau der Kokerei Zollverein ab 1957 wurde diese Größe wieder erreicht. Für die Speicherung des anfallenden Gases wurde der damals größte Gasometer der Welt gebaut (145 m hoch, 81 m Durchmesser). Er wurde bei einem der ersten Luftangriffe 1940 so stark beschädigt, dass er abgerissen werden musste. Kohle kam von den Zechen Zollverein und Graf Moltke, die mit der eigenen Förderung vermischt einen hochwertigen Koks ergaben. Die Kokereien an den anderen Standorten konnten aufgegeben werden.
Bevor diese Entwicklung einsetzte mussten einige Probleme gelöst werden. 1881 machte ein Hochwasser der Emscher Schwierigkeiten. Die Wasserhaltung kam durch in den Schacht fließendes Wasser an ihre Grenzen. Das Betriebsgelände um den Schacht wurde darauf um 2,5 m aufgeschüttet. Das Fehlen eines zweiten Schachts bedrohte die Sicherheit (Wetterführung und Rettungsweg bei Unfällen). Hier konnte bis zum Abteufen von Schacht 2 eine Verbindung zur Nachbarzeche Mathias Stinnes in Essen abhelfen. Auch diese hatte nur einen Schacht. Ein Querschlag zwischen beiden Anlagen wurde vom Bergamt zur Auflage gemacht. Er wurde 1886 fertiggestellt. Wie nötig dieser war zeigt ein Seilfahrtunglück im Schacht 1885, bei dem drei Bergleute starben.
Offenbar war man sonst bemüht, den Betrieb so modern wie möglich zu halten. 1889 ging die erste Kettenstreckenförderung im Ruhrgebiet in Betrieb. Die Förderwagen wurden sonst von Pferden gezogen. Bis auf einige Schlagwetterexplosionen ereigneten sich keine großen Unglücke (1901 acht Tote, 1918 fünf, 1937 sieben und 1955 14 Tote).
Nach der Stilllegung wurde das Gelände für die Bundesgartenschau 1997 umgestaltet und seitdem als Nordsternpark genutzt. Dabei blieben Gebäude, die sonst abgerissen werden erhalten. So ist der Kohlebunker mit Transportbrücken heute ein interessantes Detail der Gesamtanlage. Das Gelände bezieht auch die dem Rhein-Herne-Kanal gegenüberliegende Seite ein. Dort sind große naturbelassenen Flächen, ein Kinderspielplatz und ein Erlebnisbauernhof ("Ziegenmichel"). Direkt am Kanalhafen ist die 400 m lange Mauer der ehemaligen Kohleverladung für Grafitti freigegeben. Am Kanal liegt ein Amphitheater, in dem u.a. ein jährliches Heavy Metal Festival stattfindet. Neben den Schächten sind auch die Verwaltungs-, Werkstatt- und Sozialgebäude erhalten. Diese wurden von 2000 bis 2003 zur neuen Hauptverwaltung der THS Wohnen GmbH (heute Vivawest) umgebaut. Diese wurde 1920 als Treuhandstelle für Bergmannswohnstätten im rheinisch-westfälisch Steinkohlenbezirk gegründet und bewirtschaftet seit 2008 etwa 70000 Wohnungen. Neben das Turmfördergerüst von Schacht 1 wurde ein neuer Erschließungsturm gebaut. Seit dem 15. Dezember 2010 steht darauf die 18 Meter hohe und 23 Tonnen schwere Monumentalplastik "Herkules von Gelsenkirchen" von Markus Lüpertz, die eigens für diesen Ort geschaffen wurde. Darunter liegt in 83 m Höhe eine Aussichtsplattform. Durch den Zusammenschluss der THS mit der Immobiliensparte der Evonik wurde Nordstern 2012 zum Campus des drittgrößten deutschen Wohnungsunternehmens.
Ein Grund für die teiweise Unterdenkmalstellung ist die Ausführung der Förderanlagen durch die Inustriearchitekten Fritz Schupp und Martin Kremmer. Dieses "gesellenstück" war sicher auch der Grund für den Auftrag, die Anlage Zollverein 12 (heute Weltkulturerbe) zu gestalten.

Die Anlage Nordstern 3/4 förderte überwiegend Gasflammkohle, die schwer absetzbar war. Nur die Aufnahme der Kohlevergasung nach den Fischer-Tropsch-Verfahren verhinderte die vorzeitige Stillegung. Neben der Zeche entstand das Hydrierwerk der Gelsenberg. Dieses war ein Hauptangriffsziel im Bombenkrieg. Für die Beseitigung der Trümmer wurde 1944 ein Außenlager des KZ Buchenwald mit etwa 2000 ungarischen und tschechoslowakischen Jüdinnen angelegt, von denen allein bei einem Angriff am 13.9.44 151 starben. Geleitet wurde es von der SS-Abteilung Organisation Todt ("Vernichtung durch Arbeit"). Eine Dokumentation zu den Lagerstandorten (z.T. einfache Zelte) und der schleppenden Aufarbeitung der Ereignisse nach dem Krieg kann unter Dokumentation eingesehen werden.
Als Förderanlage lief Nordstern 3/4 1956 aus und diente danach der Bewetterung. Aus dem Hydrierwerk entwickelte sich der heutige Raffineriestandort. Überwiegend wird Benzin erzeugt. Dazu kommen Grundstoffe für die Chemieindustrie, die u.a. im Chemiepark Marl weiter verarbeitet werden.
Die Schächte liegen nicht frei zugänglich in einem Grünstreifen, der die Chemieanlagen abschirmt und sind mit Schildern markiert. 2012 standen noch die Gebäude am Zechentor, allerdings in einem sehr schlechten Zustand. Der verwilderte und kaum erkennbare Bereich war eingezäunt.

Emschermulde 2   Mathias Stinne 5
Ab 1970 begann die Anbindung benachbarter stillgelegter Zechen. Das Abbaufeld erhielt den Namen Emschermulde. Für die Wetterführung in dem der Zeche Nordstern zugewiesenen Felderteil wurde der Schacht Emschermulde 2 wurde nötig, um die Kohlenvorräte im Westfeld der ehemalgen Zeche Graf Bismarck abzubauen. Er wurde zwischen den früheren Bismarckschächten 2 und 9 abgeteuft. Neben dem einfachen Turm der Befahrungsanlage standen dort nur noch zwei Grubenlüfter. Der Schacht war bis zur Stilllegung der Zeche Hugo 2000 in Betrieb. Heute wird hier mit einer Methangasabsaugung Strom erzeugt. Die provisorische Anlage ist inzwischen durch eine eingehauste ersetzt worden.
Ab 1974 wurde im Bismarckfeld abgebaut. Es folgte 1981 ein Teil des Feldes von Mathias Stinnes. Dafür wurde der Schacht 5 aufgewältigt und ein neues Fördergerüst aufgestellt. Bis zum Ende des Kohleabbaus von Nordstern befand sich hier die Wasserhaltung für die aus den ehemaligen Abbaubereichen Mathias Stinnes, Rheinbaben, Graf Moltke und Emil-Fritz zulaufenden Grubenwässer. Das Wasser wurde mit zwei Tauchpumpen bei -900 m NN gehalten. Heute steht hier eine Protegohaube.
1983 erfolgte der Verbund mit Zollverein, nachem ein 4,8 km langer Querschlag zum Schacht 12 fertiggestellt war. Damit endete die Förderung auf Nordstern. 1986 schloss Zollverein. Danach wurden restliche Kohlenvorräte von der Zeche Consolidation bis 1993 abgebaut.

Übersicht Schachtdaten

Schacht Teufbeginn Inbetriebnahme Stilllegung max. Teufe (m) Kokerei
Nordstern 1 1858 1868 1993 1043 1915 - 1930
Nordstern 2 1890 1894 1993 1316 1928 - 1967
Nordstern 3 1899 1901 1990 1043  
Nordstern 4 1910 1911 1994 1043  
Emschermulde 2 1973 1974 2000 1142  
Mathias Stinnes 5   ab 1981 2000 1007  


maximale Förderung (mit Feld Graf Bismarck) 1.939502 t 1981
durchschnittlich 1 - 1,4 Mio. t/a

maximale Förderung (mit Zollverein) 3.173297 t 1983
durchschnittlich 2,2 - 2,7 Mio. t/a


Bis 1875 galt im Vest Recklinghausen, zu dem die Gemeinde Horst gehörte das Regalienrecht (auch Regalrecht). Das Vest gehörte zum Herzogtum Westfalen, das bei der Enteignung des früheren kirchlichen Besitzes der Kölner Erzbischöfe durch Napoleon entstanden war. Das uralte Regalrecht war ursprünglich nur auf Kirchenbesitz ausgerichtet und wurde später als Bergregal und Salzregal auf die Landesherren übertragen; in der Goldenen Bulle aus dem Jahre 1356 zuerst auf Kaiser und Könige und mit dem Westfälischen Frieden im Jahre 1648 auch auf die Kurfürsten.
Dieses Recht bedeutete eine zusätzliche Belastung der ersten Zechen im Vest durch den sog. Zehnten. Es stand auch dem Herzog Prosper Ludwig von Arenberg (Großgrundbesitzer im Raum Horst) zu, obwohl das Vest ab 1815 formal zu Preußen gehörte. Er war Namenspate bei den Bottroper Zechen Prosper und Arenberg Fortsetzung.


Nordstern 1/2
Nordstern 1/2
Nordstern 1/2
Nordstern 1/2
Herkules
Herkules
Nordstern 3/4
Nordstern 3/4 Zufahrt Chemiewerk
Nordstern 3/4
Nordstern 3/4 Restbauten
Nordstern Schacht 3
Nordstern Schacht 3
Nordstern Schacht 4
Nordstern Schacht 4
Nordsternpark
Nordsternpark
Nordsternpark
Nordsternpark
Nordsternpark
Nordsternpark Kletterfelsen
Nordsternpark
Nordsternpark Besucherstollen
Nordsternpark
Nordsternpark Spielplatz

zur Auswahl