Zeche Neumühl in Duisburg-Neumühl
1893 - 1962
Der Zechenname leitet sich von einer neuen Mühle an der Emscher ab. Ihr Bau wird 1353 urkundlich erwähnt und
sie wurde zum Namensgeber der umliegenden Streusiedlung. Wegen der häufigen Überschwemmungen und der unfruchtbaren Böden gab bis
zur Anlage der Zeche nur wenige Kleinbauern und einen Gutshof. Die Schachtanlage Neumühl war neben der Zeche Friedrich Thyssen
die zweite in der ehemaligen Stadt Hamborn, war aber deutlich kleiner als diese. Sie wurde ab 1890 maßgeblich von der Familie Haniel
entwickelt. Die Mutung fand schon 1867 statt, doch erst ab 1893 wurde der Schacht 1 abgeteuft. Erst jetzt wagte man nach den Erfahrungen
mit Schacht 1 von Rheinpreußen (Abteufdauer von 1857 bis 1877) das kapitalintensive Teufen. Die Familie Haniel gründete gleichzeitig
auch noch die Zechen Oberhausen und Zollverein. Die Zeche Neumühl war u.a. duch die Kooperation mit der zum Konzern
gehörenden Gute-Hoffnung-Hütte technisch immer auf einem hohen Niveau. So wurde durch Kettenförderung unter Tage ab 1903 und ab 1908
durch elektische Loks die Zahl der Grubenpferde von 247 auf 152 verringert. In dieser Zeit wurden auch verstärkt Schüttelrutschen
eingesetzt, die den notwendigen Versatz der ausgekohlten Flöze stark erleichterten.
Ab 1933 wurde die Zeche zusammen mit Rheinpreußen von der Hauptverwaltung am Schacht Rheinpreußen 1/2 aus geleitet. Zu dieser
Zeche wechselten bei der Stilllegung über 1100 Bergleute. In den Jahren davor hatte es sehr starke Fluktuationen bei der Belegschaft
gegeben. Zeitweilig lagen die Abgänge 10 - 30% über den Neueinstellungen, bei den Abgängen waren über 50% Kontraktbrüche. Allein
diese Zahlen verdeutlichen die Schwierigkeiten durch die schlechten Arbeitsbedingungen unter Tage (hohe Temperaturen, starker
Methananfall und zufließendes Grubenwasser mit mit einer Temperatur von 35°C). Dazu kamen viele Störungen im Gebirge der ab 1952 neu
vorgerichteten Fördersohle. Diese Situation ließ schon 1951 Stilllegungsgerüchte aufkommen. 1960 übernahm die DEA (Deutsche Erdöl
Aktiengesellschaft) die Zeche und ließ Hoffnungen für ein Fortbestehen aufkommen, da weiter investiert wurde. Das Aus kam dann
plöztlich am 2. November 1962. [Weitaus turbulenter verlief die Stilllegung der deutlich leistungstärkeren DEA-Zeche mit über 6000
Bergleuten Graf Bismarck in Gelsenkirchen 1966.] Ab 1958 bestand
schon ein mit Rationalisierungsmaßnahmen begründeter reduzierter Abbau und bis 1960 wurden 1100 Bergleute zur Anlage Rheinpreußen
verlegt. Nach der Stilllegung wurden alle Zechengbäude abgerissen und ein großer Teil der Siedlung. 1971 erkämpfte eine Bürgerinitiative den
Erhalt der noch bestehnden Häuser (40% des Gesamtbestands).
Während der Betriebszeit ereigneten sich relativ wenige schwere Unglücke. Bei Schlagwetterexplosionen starben 1912 drei und
1919 acht Bergleute, bei einer Kohlenstaubexplosion 1916 vier. Bei einem Strebbruch 1929 kamen drei ums Leben und acht bei
einem Seilfahrtunglück 1939.
Entgegen den Erwartungen konnte der Schacht 1 ohne die befürchteten Wassereinbrüche abgeteuft werden, auch
wenn es zeitweilig so aussah. Beim Schacht 2 gab es keine Schwierigkeiten und 1899 begann die regelmäßige Förderung. Der
schnelle Ausbau der Anlage konnte durch eine eigene Ziegelei betrieben werden, für die in der Emscherniederung ausreichend
Lehm vorhanden war. Später wurde ausschließlich Tonschiefer aus dem Nebengestein der Fettkohlenflöze verwendet, der ein sehr
gutes Rohmaterial abgab. Eine zweite Ziegelei kam später dazu. Ziegeleien wurden auf vielen Zechen betrieben, da die nötigen Ziegel
für den Bau der Zechengebäude, Schachtmauerung und Arbeiterwohnhäusern so preiswerter waren als zugekauft. In der Boomphase
ab etwa 1890 konnte die überschüssige Produktion gut abgesetzt werden. 1910 wurden z.B. 9,6 Mio. Ziegel gebrannt und knapp
96000 Mark Gewinn erzielt. 1955 endete der Ziegeleibetrieb.
Zum ersten mal im Ruhrgebiet wurde beim Schacht 2 das gesamte Gebäude gegen die Außenluft abgekapselt. So wurde die Förderung
stark erleichtert. Bei ausziehenden Schächten hatte man bisher Wettertüren direkt am Schacht, deren Öffnen und Schließen bei
jedem Fördervorgang nötig wurde.
Die Zechengebäude waren durch eine lange Aufreihung von Gebäuden mit Tonnendach und die parallel angeordneten Ziegeleien und
Koksöfen optisch recht beeindruckend. Eine 1910 entstandene Darstellung zeigt dies recht gut. Darauf sind auch Alltagsszenen
wie die vor der Schicht anstehenden Bergleute und der Straßenverkehr mit noch tierischen Pferdestärken (buchstäblich 1 PS).
Die nördlich der Anlage aufgeschüttete Bergehalde geriet in Brand, der 1910 und 1911 durchbrach und für starke Belastungen im
Stadtteil sorgte. Da er nicht gelöscht werden konnte kam nur das Abdecken der Brandherde in Frage. Unterirdisch glomm der Brand
noch jahrelang weiter. Ab 1935 wurde die Halde abgetragen und das gemahlenen Material für den Spülversatz (auch auf Rheinpreußen)
eingesetzt. Als Ersatz wurde nördlich von Schacht 6 eine neue Halde angelegt.
Am östlichen Ende des Zechengeländes wurde ab 1910 der Schacht 4 abgeteuft. Er wurde mit einer Turmförderanlage ausgestattet.
Da diese mit Dampf betrieben wurde gab es Befürchtungen, dass der Turm in Schwingungen geraten könnte. Für einen elektrischen
Antrieb reichte die Leistung der Kraftzentrale (erst später kam die Bezeichnug Kraftwerk auf) nicht aus. Im Betrieb gab es anfangs
geringe Amplituden (5,5 mm und 4,5 mm), die nach einer Justierung ganz verschwanden. Der Schacht kam nur für den Nachweis der
potentiellen Fördermenge in Betrieb und war danach Nebenschacht. Die Fördermenge wurde der Anlage 1/2 zugeschlagen. Er war einer
der typischen Syndikatschächte. Durch ihn konnte Neumühl die Kokerei erweitern, da sie auch am Kokssyndikat beteiligt war.
Die nicht benötigten Tagesanlagen wurden 1934 abgebrochen, der Schacht wurde nur noch zur Bewetterung weiter betrieben. Heute
ist er mit einer Halle überbaut. Sicherheitshalber wurde eine Gasdrainage gebaut. Der neben der Halle liegende Rohrstutzen
kann (wenn auch kaum wahrscheinlich) zu einer Protegohaube umgebaut werden.
Die Schächte 1 und 2 liegen im Bereich von Parkplätzen und sind an den Protegohauben zu erkennen.
Ab 1903 begann verstärkt der Abbau der Abbau von Fettkohle. Diese hat einen hohen Methangehalt. Um
Schlagwetterexplosionen zu verhindert wurde nun mehr Frischwetter benötigt. Die kompakte Bauweise der Anlage 1/2 ließ
es nicht zu größere Ventilatoren aufzustellen. Daher wurde etwa 900 m westlich der Schacht 3 abgeteuft. Er diente auch der
Seilfahrt. Am Schacht wurde auch der Landabsatz der Zeche angesiedelt, der hier mehr Platz als am Schacht 1/2 vorhanden
war. Dazu wurde die Kohle mit dem Zug hierher gebracht. Formal gehörte eine Kokerei zum Schacht 3. Diese wurde wegen der vorhandenen
Infrastruktur neben der Kokerei 1/2 gebaut und aus formalen Gründen durch einen Zaun abgegrenzt. So wurden die Bestimmungen
des Syndikats für den Koks erfüllt. Von 1912 bis 1925 war der Schacht 3 auch Förderanlage, danach nur noch Wetterschacht.
Die Bergleute wurden ab 1926 mit Zügen untertage in ihre Reviere gefahren. Bis 1935 waren alle überflüssigen Gebäude
abgerissen. Das Schachtgebäude nutzte in Teilen die SA.
Nach der Gesamtstilllegung wurde die Betriebsfläche abgeräumt und zum größten Teil zu Kleingärten umgestaltet. Am westlichen
Rand entstand Wohnbebauung. Der Bereich um den Schacht ist verwildert. Über dem Schacht steht eine Protegohaube auf einem
Betonsockel.
Der Schacht 5 wurde ab 1908 ganz nahe an der westlichen Markscheide abgeteuft. Er war als Spülschacht
konzipiert. Der Kohleabbau unter der Emscher und der sich rasant entwickelnden Stadt Hamborn erforderte einen Bergeversatz,
ohne den es keine Betriebserlaubnis gab. Als besonders effektiv galt der Spülversatz, bei dem Sand und Schlacken in die
ausgekohlten Flöze eingebracht wurden. In diesem Fall kam es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, da über dem geplanten
Abbau das Meidericher Hüttenwerk gebaut wurde und die damit verbundenen Auflagen den Schacht bei der Inbetriebnahme 1910
langsfristig unrentabel werden ließen. Inzwischen hatte der Einsatz von Schüttelrutschen beim Abbau den Handversatz preiswerter
gemacht. Der Anteil des Spülversatzes lag daher immer unter 10%. Das Material wurde über eine elektrische Schmalspurbahn angeliefert.
Als 1919 zudem ein Teil des Fahrdrahts gestohlen wurde endete der Versatz und der Schacht diente nur noch zur Bewetterung. 1928
kam der Schacht durch einen Feldertausch zur Nachbarzeche Friedrich Thyssen. Der Abbau im Westfeld war für Neumühl
insgesamt wenig erfreulich. Die Markscheide lag unter dem Stadtkern von Hamborn. Dort wurden ca. 300000 t hochwertiger Kohle
stehen gelassen, da der Abbau mit dem erforderlichen Versatz unrentabel war. Auch das durch den Tausch erhaltene neue Nordfeld
brachte nach dem 2. Weltkrieg nicht die erhofften und für das Überleben der Zeche nötigen Aufschlüsse.
Heute präsentiert sich das Betriebsgelände als kleine begrünte Anschüttung. Der Schacht ist mit einer Tafel markiert.
Der ab 1906 betriebene Wetterschacht lag direkt am Rhein-Herne-Kanal und machte den Abbau im Südfeld
möglich. Auf der Zeche waren die Temperaturen höher als sonst üblich. Pro 100 m stieg die Temperatur etwa 1° stärker als im
Durchschnitt, bei der Teufe der tiefsten Sohlen machte das 8° - 10° aus. Dazu kam die Praxis bei Temperaturen über 28° C nur
7-Stundenschichten zu fahren. 1948 lag ihr Anteil bei 36%, was zusätzliche Kosten bedeutete. 1951 kam im Vortrieb weltweit zum
ersten mal eine mobile Kältemaschine zum Einsatz. Heute gehört sie zum Standard unter Tage. Neben dem Schacht wurde der Hafen der
Zeche angelegt.
So verkürzte sich der Transport zur Verschiffung drastisch durch die Anlage einer Kleinbahn. Davor war ein umständlicher
Weg zur Kohleinsel im Ruhrorter Hafen nötig. Es kam daher der Plan auf, den Schacht 6 zu Hauptförderanlage auszubauen. Der
1. Weltkrieg und die nachfolgenden Ereignisse (Ruhrbesetzung, Weltwirtschaftskrise) verhinderten den Plan. Auch der Hafenbau
(Planung ab 1912) verzögerte sich bis 1924.
Eine Pionierarbeit fand nahe des Schachts statt. Die hier gelegene Schleuse des Rhein-Herne-Kanals lag wegen des Sicherheitspfeilers
zum Schutz der technischen Anlagen und möglicher Schiefstellungen der Schleusentore auf einer "Bergsenkungsinsel", da unter dem
Kanal nur mit Versatz abgebaut werden durfte. Die Schleuse sollte daher abgesenkt werden, damit ein Mindestwasserstand garantiert
blieb. Die abzubauenden Flöze lagen schon im Feld der östlich angrenzenden Zeche Concordia, waren aber kostengünstiger von
Neumühl aus abzubauen. Daher wurde ein Pachtvertrag abgeschlossen wie in ähnlichen Fällen üblich. Das Verfahren diente als
Vorlage für die Absenkung des Ruhrorter Hafen durch die Zeche Westende. 1938 begannen die Arbeiten und dauerten wegen
Unterbrechung durch den 2. Weltkrieg gut 20 Jahre.
Das hölzerne Abteufgerüst von Schacht 6 blieb für die Befahrung bis 1948 stehen. Erst dann bekam es ein kleines Stahlgerüst
und einen Befahrungshaspel. Heute steht über dem Schacht eine Protegohaube im Grünstreifen des daneben enstandenen
Mercatorzentrums, einem mittelgroßen Einkaufszentrum.
Die Reste der nördlich von Schacht 6 gelegenen Halde wurden um die Jahrtausenwende zu einem Park umgestaltet.
Übersicht Schachtdaten
Schacht |
Teufbeginn |
Inbetriebnahme |
Stilllegung |
max. Teufe (m) |
Kokerei |
1 |
1893 |
1896 |
1962 |
861 |
1900 - 1963 |
2 |
1897 |
1899 |
1962 |
989 |
|
3 |
1903 |
1907 |
1926/1962 |
834 |
1912 - 1963 |
4 |
1910 |
1912 |
1915/1962 |
831 |
1914 - 1963 |
5 |
1908 |
1910 |
1928 zu Thyssen |
356 |
|
6 |
1913 |
1916 |
1962 |
782 |
|
maximale Förderung 1.679106 1939
durchschnittlich 1 - 1,4 Mio. t/a
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- Abteufgerüst über Schacht Neumühl 1
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- "Schauseite" der Anlage 1/2 um 1902
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- Das Fördermaschinen- gebäude gegenüber
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- Panoramabild (vlnr. Halde, Ziegeleien, Förderanlage, Kokerei)
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- Detail: Bergleute vor Beginn der Schicht
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- Detail: Direktionsvilla im Fordergrund
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- Schächte Neumühl 1/2 im Jahr 1953
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- Ansicht 1956 nach Umbau von Schacht 2 (hinten)
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- Zechenansicht 1957 von der Kokereiseite
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- Kokerei mit Koksaus-
drückwagen - gerade wird Koks abgelöscht
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- Protegohaube von Schacht 1 im Jahr 2006 in einer Grünfläche
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- Protegohaube von Schacht 1 im Jahr 2006
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- Protegohaube von Schacht 1 im Jahr 2022 jetzt auf Parkplatz
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- Protegohaube von Schacht 1 im Jahr 2022
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- Revisionsöffnung Schacht 1 im Jahr 2022
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- Schacht 2 um 1902
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- Protegohaube von Schacht 2 im Jahr 2006
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- Protegohaube von Schacht 2 im Jahr 2006
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- Protegohaube von Schacht 2 im Jahr 2016
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- Protegohaube von Schacht 2 im Jahr 2016
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- Konstruktionszeichnung von Schacht 3 (1908)
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- Schacht 3 mit Kohlefuhrwerk um 1910
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- Protegohaube von Schacht 3 im Jahr 2006
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- Protegohaube von Schacht 3 im Jahr 2006
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- Turmförderanlage von Schacht 4 1916
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- Konstruktionszeichnung der Turmförderung
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- Dampfmaschine der Förderanlage
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- Das Foto von 1920 zeigt die recht beeindruckende Anlage
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- Schacht 4 während der kurzen Phase als Förderschacht
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- Schacht 4 im Jahr 1957 mit Kokshalden wegen der Kohlekrise
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- Gasdrainage am Schacht 4 neben der Werkshalle
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- Schacht 5 in den 1930er Jahren
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- Renaturiertes Gelände von Schacht 5 im Jahr 2006
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- Schachttafel am ehemaligen Schacht im Jahr 2006
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- Abteufgerüst Schacht 6
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- Befahrungsgerüst über Schacht 6
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- Protegohaube von Schacht 6 im Jahr 2016
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- Protegohaube von Schacht 6 im Jahr 2016
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- Schacht 6 im Jahr 2022
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- Schacht 6 im Jahr 2022
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- Haldenbereich im Jahr 2022
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- Haldenbereich im Jahr 2022
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- Haldenbereich im Jahr 2022
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