Zeche Graf Schwerin in Castrop-Rauxel

1872 - 1967


Graf Schwerin Übersicht


Das Grubenfeld von Graf Schwerin wurde schon ab 1855 gemutet. Maßgeblich beteiligt war der Neusser Kaufmann Victor Cornelius Elfes. Bis April hatte er fünf Mutungen eingelegt und sie nach seiner Heimatstadt Novesium (römische Siedlung) benannt. 1858 wurden die Felder verliehen. Wegen der hohen Kosten für das Schachtabteufen suchte Elfes kapitalstarke Partner. Er fand sie 1872 (u.a. Heinrich Grimberg und Ernst Honigmann, die später eigene Bergwerke betrieben). Die neue Zeche wurde nach der aktuell bestehenden "Mode" bei der Gründung des Deutschen Reichs nach dem preußischen General Graf Schwerin benannt.
Nach relativ günstigem Start geriet die Zeche in den 1880er Jahren durch starke Wasserzuflüsse immer weiter in Schwierigkeiten. Diese zwangen zum Abdämmen eines größeren Felderteils. Wegen des Kapitalmangels wurde auch das Abteufen des aus Sicherheitsgründen vom Bergamt vorgeschrieben zweiten Schachts immer weiter verzögert. Ab 1887 wurde ein Querschlag zur Nachbarzeche Zollern aufgefahren, die dasselbe Problem hatte. Erst 1890 kam es zum Durchschlag. Damit war aber eine aureichende Bewetterung nicht sicher gewährleistet. Diese war nach der Inbetriebnahme von Schacht 2 gegeben. Danach ging es auch finanziell langsam aufwärts.
1916 wurde die Dortmunder Zeche Glückaufsegen übernommen. In der Kohlekrise nach der Inflationszeit wurde sie 1926 stillgelegt.
Die ungünstige Topographie im Bereich des Grubenfeldes führte auch zu einer Kuriosität. Die Anlage 1/2 lag auf einer Anhöhe, die Anlage 3/4 in einem Geländeeinschnitt. Die sehr gute Kokskohle von 3/4 erforderte den Bau einer Kokerei. Diese wurde am Schacht 1/2 gebaut und die Kohle lange Zeit mit einer Seilbahn, von der keine Reste erhalten sind dorthin transportiert. Noch seltsamer war der Bau einer Kokerei für Schacht 4 auf dem Gelände der Zeche Lothringen (Schacht 4 in Bochum-Hiltrop) neben der dort seit 1910 betriebenen Kokerei. Auch die Kosten für eine Kokerei mit nur 60 Öfen hatte es bis dahin nie gegeben, knapp 9 Mio. Mark. Es ist wohl im Lothringer Konzern, zu dem Graf Schwerin seit 1919 gehörte eine kreative Buchführung bei schlechter Geschäftslage erfolgt. Die Versuche der Zeche Lothringen einen Großkonzern aufzubauen scheiterten völlig. Ein Konkurs konnte gerade noch verhindert werden.
Ab 1961 bestand ein Verbund mit der Bochumer Zeche Lothringen, die seit 1937 im Besitz von Graf Schwerin war. Die Kohlenwäsche wurde stilllgelegt. Die abgebaute Restkohle wurde übertage mit der Bahn nach Bochum transportiert, da beide Berechtsamen nicht aneinander grenzten. Die Verbindung unter Tage durch das Grubenfeld von Erin war ab 1970 geplant, da bis dahin auch der Schacht Lothringen 2 tiefer geteuft sein sollte. Dazu kam es aber nicht mehr wegen der Stilllegung von Lothringen im Jahr 1967.


Graf Schwerin 1/2
Die Anlage Schacht 1/2 lag relativ ungünstig auf dem Castroper Höhenrücken. Die Höhendifferenz zum Bahnhof in Dortmund-Bövinghausen betrug etwas über 10 m auf knapp 2 km Länge. Auf einen jahrzehntelangen Betrieb gerechnet entstanden dadurch zusätzliche Kosten.
Der Schacht 1 erhielt einen Malakoffturm, dem später ein Strebengerüst aufgesetzt wurde. Wegen der Enge auf dem Betriebsgelände hatte es als einziges im Ruhrgebiet eine abgeknickte Strebe. Der Schacht 2 erhielt 1932 ein neues Gerüst in Vollwandbauweise. Bis zur Stilllegung änderte sich das Erscheinungsbild der Anlage kaum.
Nach dem 2. Weltkrieg setzte zeitverzögert auch im Ruhrgebiet die Mechanisierung im Abbau ein. Hier war Graf Schwerin stark benachteiligt. Die Flöze waren zu 65% stark geneigt und 7% steil gelagert. Die davon bauwürdigen hatten geringe Mächtigkeiten von maximal einem Meter. Daher sollte das Rammkörperverfahren (s.u.) zum Einsatz kommen, das ab 1958 serienreif war. Wegen der lokalen Geologie erwies es sich obwohl kostengünstig hier als nicht praktikabel. Im Prinzip wurde das uralte Setzen eines Schräms (Schlitz) im Flöz "fast" automatisiert. Es waren immer noch Bergleute am Gerät nötig.
Nach dem Verbund mit der Zeche Lothringen in Bochum wurde die Rohkohle mit dem Zug zur Aufbereitung dorthin transportiert. Unter Tage konnte keine Verbindung hergestellt werden, da zwischen beiden Anlagen die Zeche Zollern lag, die einer anderen Gesellschaft gehörte. Nach der endgültigen Stilllegung 1967 wurde die Kokerei von der RAG noch bis 1975 weiter betrieben.
Erst 2008 begann die abschließende Sanierung der Betriebsfläche, auf der Gewerbe angesiedelt werden soll. Die angrenzende Halde ist bepflanzt worden. Auf dem Gipfel wurde eine Sonnenuhr aus kreisförmig gesetzten Stahlrohren installiert. Die hinaufführenden Treppen sind aus typischen im Bergbau verwendeten Materialien. Der Castrop-Rauxeler Künstler Jan Bormann benutzte für die "Naturachse (N-S)" Eisenbahnschwellen und Grubenholz, für die "Industrieachse (O-W)" Stahlbrammen und Eisenbahnschienen. Das Ensemble ist Teil der Route der Industriekultur. Die Uhr geht eine halbe Stunde nach, da sie die Görlitzer Zeit zeigt. Die Stadt liegt exakt auf dem 15. Längengrad, der die Mitteleuropäische Zeit definiert. An den Hängen der Halde sind kleinere Skulpturen vom weiteren Künstlern zu finden. Nur ein Betriebsgebäude am ehemaligen Zechentor (Labor und Schlosserei) hat zum Wohnhaus umgebaut "überlebt".
Im Bereich der Schächte steht seit 2011 ein Einkaufszentrum. Sie sind mit Protegohauben versehen. Daneben liegt eine kleine Erdpyramide mit einer Stahlskulptur auf dem Gipfelplateau. Auf der ehemaligen Kokereifläche waren 2020 noch keine neuen Betriebe angesiedelt. Der Bereich ist eingezäunt. Nördlich von Schacht 1 sind einige Werkstattgebäude weiter gewerblich genutzt.

Graf Schwerin 3/4
Das Gelände von Schacht 3/4 liegt in einem Taleinschnitt. Es reichte für einen Luftschacht, war aber mit der Aufnahme der Kohleförderung zu klein, um die nötigen Aufbereitungsanlagen zu erstellen. Daher wurde 1910 eine Seilbahn zum Schacht 1/2 gebaut. Dort wurde die geförderte Kohle aufbereitet und in der Gegenrichtung Waschberge zum Schacht 3 transportiert, die für den Bergeversatz gebraucht wurden. Mit dem Verbund unter Tage im Jahr 1933 wurde die Seilbahn überflüssig und demontiert. Die ab 1910 betriebene Kokerei lag am Schacht 1/2 und wurde als separater Betrieb geführt. Sie blieb bis 1975 in Betrieb, da dort ein gefragter Koks für Gießereien hergestellt wurde. Ansonsten war sie ein Anachronismus. Zwar wurde sie immer gewartet und repariert, aber die Prokuktion erfolgte mit der 1910 üblichen Technik. Der Koks wurde aus den Öfen gedrückt und davor mit Schläuchen gelöscht. Entsprechend verteilten sich die Löschschwaden mit Schmutz- und Geruchsbelästigung im Umkreis.
Auf dem Gelände 3/4 war als letzter Nutzer ein Kohlehändler tätig. Auf Luftbildern von 2006 ist der Betrieb noch zu sehen. Nach seiner Einstellung das letzte noch verbliebene Betriebsgebäude (Trafo-/Schalthaus) nach 2006 abgerissen und die Baulücke an der Straße geschlossen. Die beiden Schächte haben Betonabdeckungen mit Nachfüllöffnungen. Sie sind nicht sofort zu finden, da das gesamte frühere Zechenareal langsam verwildert. Es liegt versteckt hinter einer Häuserzeile, ist aber zugänglich. Ein Weg zum nordöstlich davon angrenzenden Grünbereich verläuft über das Gelände.
In der Nähe ist etwa 2005 eine Bohrung zur Grubengasnutzung niedergebracht worden. Das dort errichtete Gaskraftwerk war aber nicht lange in Betrieb, da die Gasmengen geringer waren als erwartet. Ein Transformator zur Einspeisung des erzeugten Stroms war 2016 wieder abgebaut.

Übersicht Schachtdaten

Schacht Teufbeginn Inbetriebnahme Stilllegung max. Teufe (m) Kokerei
1 1872 1875 1967 1063 1887 - 1932
2 1892 1894 1967 1063  
3 1903 1906 1966 820 1910 - 1975
4 1938 1940 1967 654  


maximale Förderung 983754 t 1938
durchschnittlich 400000 - 700000 t/a


Graf Schwerin 1
Graf Schwerin 1 im Jahr 1894 mit erster Kokerei
Graf Schwerin 1
Graf Schwerin 1 im Jahr 1894 mit Kohlewäsche und Verladung
Graf Schwerin 1
Der massive Malakoffturm Graf Schwerin 1 im Jahr 1925
Graf Schwerin 1
Graf Schwerin 1 im Jahr 1968 mit eingezogenem Gerüst
Graf Schwerin 2
Graf Schwerin 2 im Jahr 1895
Graf Schwerin 2
Graf Schwerin 2 im Jahr 1900 mit Nebenförderung
Graf Schwerin 2
Graf Schwerin 2 im Jahr 1900 - Detail
Graf Schwerin 2
Graf Schwerin 2 im Jahr 1900 mit Kokerei
Graf Schwerin 2
Graf Schwerin 2 im Jahr 1922 mit neuer Schachthalle
Graf Schwerin 2
Umbau Graf Schwerin 2 im Jahr 1937
Graf Schwerin 2
Graf Schwerin 2 im Jahr 1940
Graf Schwerin 2
Graf Schwerin 2 im Jahr 1968
Graf Schwerin 1/2
Graf Schwerin 1/2 im Jahr 1900
Graf Schwerin 1/2
Graf Schwerin 1/2 Panorama von 1912
Graf Schwerin 1/2
Graf Schwerin 1/2 Luftbild 1930
Graf Schwerin 1/2
Graf Schwerin 1/2 Luftbild 1958
Graf Schwerin 1/2
Graf Schwerin 1/2 Luftbild 1967 - Teilabriss
Graf Schwerin 1/2
Graf Schwerin Brachfläche Kokerei Schacht 1/2 um 2008
Graf Schwerin 1
Graf Schwerin Schacht 1 im Jahr 2008
Graf Schwerin 1
Graf Schwerin Schacht 1 im Jahr 2008
Graf Schwerin 1
Graf Schwerin Schacht 1 im Jahr 2008
Graf Schwerin 2
Graf Schwerin Schacht 2 im Jahr 2010
Graf Schwerin 2
Graf Schwerin Schacht 2 im Jahr 2010
Graf Schwerin 2
Graf Schwerin Schacht 2 im Jahr 2010
Graf Schwerin 1/2
Graf Schwerin 1/2 sanierte Kokereifläche im Jahr 2010
Graf Schwerin 1/2
Graf Schwerin 1/2 sanierte Kokereifläche im Jahr 2010
Graf Schwerin 1/2
Graf Schwerin 1/2 Aussichtshügel im Jahr 2010
Graf Schwerin 1/2
Graf Schwerin 1/2 Skulptur auf dem Hügel
Graf Schwerin 1/2
Graf Schwerin 1/2 aus der Sicht vom Hügel im Jahr 2008
Graf Schwerin
Graf Schwerin - reprä- sentatives Zechentor im Jahr 1899
Graf Schwerin
Graf Schwerin im Jahr 1912 mit "einfachem" Tor
Graf Schwerin
Graf Schwerin Verwaltung im Jahr 1972
Halde Graf Schwerin
Halde Graf Schwerin
Halde Graf Schwerin
Halde Graf Schwerin
Graf Schwerin 1/2
Graf Schwerin Schacht 3 im Jahr 1906
Graf Schwerin 3
Graf Schwerin Schacht 3 um 1909
Graf Schwerin 3
Graf Schwerin Schacht 3 im Jahr 1910
Graf Schwerin 3
Graf Schwerin Schacht 3 im Jahr 1968
Graf Schwerin 4
Graf Schwerin Schacht 4 im Jahr 1968
Graf Schwerin 4
Graf Schwerin Schacht 4 im Jahr 1968
Graf Schwerin 4
Graf Schwerin Schacht 4 im Jahr 2010
Graf Schwerin Schacht 3/4
Graf Schwerin Schacht 3/4 im Jahr 1955
Graf Schwerin Schacht 3/4
Graf Schwerin Schacht 3/4 im Jahr 1957
Graf Schwerin Schacht 3/4
Graf Schwerin Schacht 3/4 im Jahr 1958
Graf Schwerin 3
Graf Schwerin Schacht 3 im Jahr 2010
Graf Schwerin 3/4
Graf Schwerin Zufahrt Schacht 3/4 im Jahr 2010
Graf Schwerin 3
Graf Schwerin Schacht 3 im Jahr 2020
Graf Schwerin 3
Graf Schwerin Schacht 3 im Jahr 2020
Graf Schwerin 3
Graf Schwerin Schacht 3 im Jahr 2020 Revisiosöffnung
Graf Schwerin 3
Graf Schwerin Schacht 3 im Jahr 2020 Revisiosöffnung
Graf Schwerin 4
Graf Schwerin Schacht 4 im Jahr 2020
Graf Schwerin 4
Graf Schwerin Schacht 4 im Jahr 2020
Graf Schwerin 4
Graf Schwerin Schacht 3 im Jahr 2020 Schienenreste
Graf Schwerin 4
Graf Schwerin Schacht 4 im Jahr 2020 Revisiosöffnung
Graf Schwerin 4
Graf Schwerin Schacht 3 im Jahr 2020 Revisiosöffnung
Graf Schwerin 3/4
Graf Schwerin Schacht 3/4 im Jahr 2020 auf- kommender Bewuchs
Graf Schwerin 3/4
Graf Schwerin Schacht 3/4 im Jahr 2020 auf- kommender Bewuchs
Graf Schwerin Gasbohrung
Gasbohrung im Jahr 2008
Graf Schwerin Gasbohrung
Gasbohrung im Jahr 2008
Graf Schwerin Gasbohrung
Gaskraftwerk im Jahr 2011
Rammbetrieb
Rammkörper vor und im Einsatz
Rammbetrieb
Einsatz in einem schmalen Flöz
Rammbetrieb
Ein für die Bergleute extrem beengter Arbeitsplatz

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